THE HIRSCH EFFEKT: Dürfen die das?
Die Progressive-Metaller The Hirsch Effekt sorgten am Freitag Abend für offene Münder im Ann and Pat. In knapp zwei Stunden ackerte sich die Band in eindrucksvoller Manier durch ihr breites Spektrum an musikalischen Einflüssen. Eine Show, wie man sie in Linz garantiert nicht alle Tage erlebt!
Die Krachmacher von Orphan waren als Opener eingeladen und ließen sich also nach einiger Zeit auch mal wieder in Linz live bestaunen. Ein im wahrsten Sinne knackig kurzes 15-Minuten Set stand auf dem Programm und lockte die Menschen bereits früh in den Saal des Ann and Pat. Die sollten für das frühe Erscheinen dann auch etwas geboten bekommen. Mit der Wucht einer Dampfwalze jagten Orphan von Song zu Song und schändeten ihre Gitarren mit dissonantem Riffing par excellence. Gewohnt schnörkellos und sympathisch, aber nichts für schwache Nerven. Dass die Spielzeit dann doch etwas zu kurz geraten war, lag vermutlich an der Überlänge, die der heutige Headliner für sich beanspruchen sollte. Trotzdem war es eine Wohltat, die Vier mal wieder beim Zerlegen der Bühne zu beobachten.
Der weitaus längere zweite Teil des Abends stand dann ganz im Zeichen der drei Hannoveraner von The Hirsch Effekt – einer Band, die sich wirklich so ganz und gar nicht in eine Schublade stecken lässt. Pop, Indie- und Mathrock, Hardcore, Screamo, Black- und Death Metal, irre Tempo- und Rhythmuswechsel und spielerische Präzision, bei der einem vom Zusehen schwindelig wird. Wikipedia meint dazu: „Indielectro-Post-Punk-Metal-DIY-Band“ – das lasse ich mal so gelten. Wer jetzt bei diesem progressiven Stil-Potpourri eine krampfhaft steife Performance befürchtet, den kann ich beruhigen, denn The Hirsch Effekt nehmen sich garantiert nicht zu ernst. Schon das Intro, bei dem man einen Kritiker zu düsteren elektronischen Längen über die Band schimpfen hört, macht einem das sofort klar.
Was folgt ist ein zweistündiger Achterbahnritt, bei dem die Band ihre Holon Album-Trilogie und sämtliche Facetten ihres Sounds präsentiert. Dass die drei während der Show trotz ihrer komplexen Instrumentalparts niemals still stehen, sollte auch noch erwähnt werden. Gitarrist Nils Wittrock klettert und springt nämlich mit Vorliebe auf jedes Stück Equipment, dass sich in seiner Reichweite befindet (oder auch auf die Bar), die Finger von Bassist Ilja Lappin rasen mit derartiger Geschwindigkeit übers Griffbrett, dass man meinen möchte, es riecht im Tourbus jeder Show nach verbrannter Haut, und Drummer Moritz Schmidt wirkt in jedem Moment so bis in die Haarspitzen motiviert, als würde er nie wieder etwas anderes machen wollen, als auf diese Felle einzudreschen. Dieses Trio macht genau das, worauf sie Bock haben und man kann das in jedem Moment spüren. Diese Band muss man auf jeden Fall live gesehen haben, um ihre Musik zu verstehen. Wer sich darauf einlässt, wird es nicht bereuen!
Fotos: Andreas Wörister (Slih’s Photography)