Chilly Gonzales im Posthof Linz
Foto: Larissa Schöfl

Chilly Gonzales: Music is back motherfuckers

Pianist, Komponist, Rapper, Songwriter und Musikgenie – ein Gesamtkunstwerk. So bezeichnet sich Chilly Gonzales gerne selbst. Zurecht, wie er gestern bei seinem ersten Konzert in Linz bewiesen hat.

Es wär bedächtig leise vor der großen FrischLuft Bühne, draußen hinterm Posthof Linz. Nach der Begrüßung und Einführung von Musikchef Gernot Kremser wartet das Publikum auf den Großmeister. Nach ein paar Minuten betritt Chilly Gonzales im goldenen Morgenmantel die Bühne und setzt sich an den Bechstein Flügel. Selbst in einem Konzertsaal würde die Hofratswitwen etwas tratschen, doch es herrscht angespannte Stille. Brav sitzen alle gut 700 BesucherInnen auf ihren Klappsesseln. Das Konzert beginnt.

Die ersten Minuten spielt der Kanadier ein Medley aus seinen selbst komponierten Stücken, bevor er sich zum ersten Mal ans Publikum wendet. „It’s fucking great to be back on stage“, sagt er. Endlich wieder Musik live erleben, so wie es die Götter vorgesehen hätten, denn die wollen kein Streaming.

Any Bach fans here tonight?

Was dann folgt, ist die Musikerziehung, die wir uns alle in der Schule gewünscht hätten. Denn Chilly Gonzales komponiert jeden Tag, und ob dabei was Gutes oder was Schlechtes rauskommt ist erstmal egal. Er macht es wie Johann Sebastian Bach – einfach schreiben und Musik verkaufen, ganz uneitel. Denn wer 35 Kinder hat (Bach, nicht Gonzales), kann sich’s nicht leisten, Zeit zu verschwenden.
Im lockeren Plauderton erklärt der Pianist die einfachen Regeln des Komponierens, spricht über die verschiedene Wirkung von Dur und Moll-Akkorden. Demonstriert wird das Ganze an bekannten Stücken von Kurt Cobain und Britney Spears.

Nach drei jazzigen Nummer mit Kontrabass-Begleitung entlässt uns Gonzales in die Pause. Wir sollen uns betrinken, sagt er. Sich selbst würde er nur einen Joint gönnen. Merklich redseliger und gut gelaunt hat Chilly Gonzales danach drei BegleiterInnen auf der Bühne mit Kontrabass, Cello und Bratsche. Auch die Schulstunde geht weiter. Melodie, Harmonie und Rhythmus stehen auf dem Lehrplan.

Wie so ein spezieller „Unterricht“ aussieht, kann man in der Pop Music Masterclass von 1LIVE nachsehen. Der Meister hat auch sein eigenes Klavier-Lehrbuch herausgebracht. Denn langweilige Etüden gibts genug, das geht auch moderner.

Für diejenigen denen Melodie und Harmonie noch nicht genügen, und die von Rhythmus keine Ahnung haben („let’s call them germans“) wird nun das vierte Element eingefügt. Der Gesang. Beginnend mit Frank Sinatra wird der Abend jetzt lauter, schneller und moderner. Auch seine Ansagen werden direkter. Der Applaus zwischen den Stücken ist ihm zu leise. Dafür hätte er nicht nach Linz kommen brauchen.

Ein klein bisschen besser als Adäquat

Überhaupt scheint zu wenig Stimmung zu herrschen. Aber Chilly Gonzales beschimpft eigentlich gerne sein Publikum ein wenig, hat er auch gemacht als ich ihn das erste Mal in Wien sah. Das macht eine gute Show eben aus. Wer mit Kammermusik à la Solo Piano beginnt und am Ende mit zwei Händen und einem Fuß am Flügel rumhämmert und dazu rappt, der fordert auch das Publikum heraus. Die Beine wippen schon überall mit, aber erst bei den letzten Nummern trauen sich die ersten auch aufzustehen. Die (vom Maestro selbst) gewünschte Sitzordnung ist gebrochen. Mit der letzten Nummer überzieht er auch die Sperrstunde und hat sichtlich Freude daran, jetzt mit uns alles gemeinsam die strengen Linzer Gesetze zu brechen. Denn „Thats what we call a massage with a happy end! Music is back motherfuckers“

Fotos: a_kep, Larissa Schöfl

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