Festival der Regionen 2023
Foto: a_kep

Festival der Regionen im vorbei­fahren

Das Festival der Regionen kümmert sich seit 30 Jahren um die kultur­politisch oft vernachlässigten Neben­strecken des Landes. Orte im Verborgenen, abseits der Städte und der Hochkultur. Passender­weise ist 2023 die Summerauer­bahn das verbindende Element. Mit altbekannten Hürden.

An der gut 60 km langen Strecke von Linz bis nach Horní Dvořiště werden 12 Orte entlang der Schienen bespielt – mehr oder minder. Denn nicht nur die bedächtige Fahrgeschwindigkeit und der ausgedünnte Takt machen dem Festival genauso wie den Menschen der Regionen zu schaffen. Städte wie Freistadt haben schon vor weit über hundert Jahren den Bahnhof bewusst sechs Kilometer außerhalb bauen lassen. Busverbindung ins Zentrum? Fehlanzeige!

So startet unser subtext-Wandertag am Bahnsteig in Linz. Kurve um Kurve windet sich die Summerauerbahn Richtung Freistadt. Am Weg dorthin sind wir bereits an einigen Installationen vorbeigefahren, die kurz vor dem Fenster des Waggons vorbeizogen. „Schau mal Schatzi, das ist Kunst“, macht ein eBike-Pensionist seine Partnerin auf das halb umgefallene Baugerüst von Pia Mayrwöger aufmerksam. „Aber das versteh ma ja ned“, verkündet er lachend. Extra dafür aussteigen? Möglich, aber dann müsste man zwei Stunden auf den nächsten Zug warten. Leider geht es auch nicht ohne Shuttleservice, um vom Bahnhof Freistadt aus in die Stadt zu kommen. Grundsätzlich scheint der Sonntag auch am Festival gemütlich angegangen zu werden. Viele Programmpunkte finden nur unter der Woche statt.

Dafür zieht verflechtn, die Konferenz für Kunst- und Kulturarbeit in den Regionen viele bekannten Gesichter in den Salzhof Freistadt. Sonntag? Das ist nur ein Feiertag für die anderen, Kulturarbeit findet immer statt, vor allem die unbezahlte. So wird nach Begrüßung, Keynote und Podiumsdiskussion zu „30 Jahre Festival der Regionen“ der Nachmittag in kleineren Panels begonnen. Es geht um Schlagworte wie Leerstände, Partizipation, Finanzierung und Diversität. Die Themen sind eben nicht neu, wie sie nicht einfach zu lösen sind. Vernetzen hilft, oder eben verflechtn.

wir wandern weiter.

Im Stadtgraben kann man das VegLab besichtigen. Hier wurde ohne viel Vorwissen eine Gewächshauskuppel errichtet, um darin Gemüseanbau auszuprobieren. Es wird experimentiert, mit Anbautechniken, Sensoren, Sortenauswahl und viel trial-and-error. So niederschwellig wie möglich, könnte man sagen. Denn die Kuppel soll einladen. Zum Vorbeikommen, zum Gespräch, zum Selbstversuch.

Daneben, in der Wiese, hat das tschechische Kollektiv Node9 die Garden_Networks aufgebaut. Im Wurzellabor stehen Mikroskope bereit, um die unterschiedlichen Schichten unter unseren Füßen zu erforschen. Und wunderbare Blätter mit braunen Kreisen schaukeln zum Trocknen im Wind. Diese Bodenchromatographien sind, so kunstvoll sie auch aussehen, eine Art Fotografie der Bodenzusammensetzung. Mit Labormitteln, Silbernitrat und viel Geduld entstehen Abbilder, aus denen Expert:innen den Wasserhaushalt, die Mikroorganismen, den Humusgehalt und die Durchlüftung des Bodens herauslesen können. Wer sich selbst künstlerisch betätigen mag, darf nebenan zum Pinsel greifen und mit den unterschiedlichen Farben der Erde malen.

In der Salzgasse hat mittlerweile Marek Borsanyi seine mobile Druckerei aufgebaut. Während er im Plauderton die unterschiedlichen Drucktechniken erklärt, färbt er kleine Scherenschnitten ein, die er so ganz nebenbei aufskizziert, ausgeschnitten und mit ein bisschen Klebeband versehen hat. So entstehen im Gespräch seine ganz persönlichen Porträts, wie kleine Schnappschüssen. Ab durch die Walze, und schon existiert ein weiteres Kunstwerk. Fast wie eine Performance mutet das ganze an, doch Marek lädt das Publikum ein, selbst zu Schere und Klebeband zu greifen.

Anderen Projekte außerhalb von Freistadt? Hätten wir gerne noch gesehen, aber sonntags hat man da schlechte Karten. Zum Bahnhof müsste man erst mal mindestens 40 Minuten zu Fuß gehen und dann genau planen, damit man nicht nur zu einem anderen Ort kommt, sondern später von dort auch wieder weg. Wir sind alle ambitionierte Öffi-Nutzer:innen, nun hätten wir uns ein Auto gewünscht. Aber wir haben ja noch bis kommenden Sonntag Zeit, weiter ins Programm des Festivals einzutauchen.

Fazit

Das ambitionierte Team hat sich nach fast komplettem Personalwechsel mit dieser Region logistisch eine extrem schwierige Aufgabe gestellt, die es nicht zu lösen vermag. Auf sanfte Mobilität setzen, das Zugticket im Festivalticket integrieren, alles unglaublich löblich und um vieles weiter als große Player jemals gewillt sind zu gehen. Nur da wir trotzdem noch in Österreich sind, schlägt gnadenlos die normative Kraft des Faktischen zu. Wenn kein Zug fährt, dann nutzt ihn auch keiner. Und niemand kommt zur Kunst.


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HÖCHSTE EISENBAHN

23.06.​→02.07.​2023
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photographer, designer, journalist