Spider-Man: Across The Spider-Verse Still
Foto: sonypicturesanimation.com

Style Over Substance: Across the Spider-Verse

Der längste Animationsfilm aller Zeiten startet endlich nach fast 5 Jahren Wartezeit und führt die Geschichte um „den einzigen Spider-Man“ Miles Morales und Co. weiter. Und bereits am Startwochenende scheint es ganz danach, dass hier einer der bestbewertetsten Filme des Jahres seine Wellen schlägt.

Wie geht die Geschichte um Miles, Peter B., Gwen und allen anderen nach dem ersten Teil weiter? Sehen sie sich überhaupt noch einmal wieder? Eines ist jedenfalls klar: Wem die sechs alternativen Spider-Man Varianten in Teil eins schon zu viel waren, der bekommt einen noch viel härteren Brocken serviert. Das will man doch aber, oder?

Miles schwingt vor und zurück

Was macht man im zweiten Teil? Richtig: Man muss erst mal die Backstory ausbauen, um dann mit voller Geschwindigkeit nach vorne zu preschen. Das Team von Sony schafft das hier zumindest in Teilen richtig gut. Nicht nur Miles‘ Origin Story wird richtig gut aufgerollt, sondern auch Gwens Hintergrundgeschichte bekommt richtig viel Zeit und einen ganz besonderen, neuen Animationsstil. Denn neue Universen bedeuten auch neue Looks. Dagegen wirkt der erste Teil fast schon zurückhaltend, wenn man all die Stile in diesem betrachtet. Nur schade, dass durch dieses Vor und Zurück und die noch stilisierteren Frames der Film in mehreren Momenten schon so überladen wird, dass man in Action-Szenen desorientiert und völlig ausgelaugt zurückgelassen wird. Ich kann es kaum glauben, das zu sagen, aber da hat die „nüchterne“ Herangehensweise im ersten Teil ultimativ ein geschliffeneres Gesamtbild geschaffen.

Spider-Man: Across The Spider-Verse Still
Foto: sonypicturesanimation.com

Höher, schneller, weiter

Der Fluch vom zweiten Teil: Man muss immer einen draufsetzen. Neben den neuen Stilen braucht es natürlich auch noch mehr kreative Ideen, noch mehr zum Verlieren, noch schlimmere Bösewichte. Warum denn eigentlich? Warum muss es gleich ein Zweiteiler werden, warum muss es gleich unendlich Universen geben, warum muss es um das Wohlbefinden aller Dimensionen gehen? Und warum in aller Welt (oder allen Welten) muss denn schon wieder ein weinend gebeugter Andrew Garfield filmisch recycelt werden? (Sorry für den kleinen Spoiler.) Das war in „No Way Home“ schon forcierter Fan-Service und jetzt läuft Sony selbst dem nach, um auf Biegen und Brechen irgendwie noch am schon schwindenden Erfolg vom MCU teilzuhaben. Egal wie gut Garfield damals auch gespielt hat, noch einmal halte ich die Szene auch auf dem großen Screen nicht aus. So viel Kreativität, so viel Liebe zum Detail, die Sony Pictures Animation mit dem Ding hier beweist, nur um sich selbst dann auf das zu reduzieren. Das ist jammerschade.

Das klingt jetzt alles so negativ. Das ist es nicht. Aber beim Gang aus dem Kino bleibt dann doch keine uneingeschränkte Freude, sonderm der Wunsch nach mehr. Nicht nur, weil ich den Bildern gerne gleich noch weitere zwei Stunden beim Entwickeln zugesehen hätte, sondern auch weil ich gerne etwas anderes gesehen hätte. Selbst wenn es nur ein Film über Gwen gewesen wäre (oder besonders dann). Aber so wird aus einem runden Werk ein zweiter Teil, der sich dem Fluch beugt. Viel unfokussierter, zuviel neue wichtigtuende Charaktere und ein Cliffhanger, der die Trilogie erzwingt. Am Ende ist es der längste Trailer, den das Kino je gesehen hat.

Geht ins Kino!

Warum das jetzt? So abscheulich die unendlichen Franchise-Dimensionen modernen Hollywoods auch sind, soviel Liebe steckt in diesem Film dennoch drin. Geldmaschinerie hin oder her, die einzelne Köpfe dahinter beweisen viel Herz für ihre Charaktere. Sie bekommen Raum zum Atmen und vor allem Miles und Gwen auch spannende Entwicklungsstränge neben toll animierten Sets. Sei es das Spiel mit Kalt- und Warmkontrast, die erneuten Comic-Panel Anspielungen oder auch der wieder gelungene Soundtrack. Das sind genügend Gründe, einen Blockbuster im Kino zu sehen. Nur die Erwartungshaltungen sollte man etwas nach unten schrauben. Einen zweiten Teil nach einem der besten Animationsfilme aller Zeiten nachzuliefern ist letzten Endes einfach keine leichte Aufgabe. Nach dem Ende von diesem hier besteht jedenfalls dennoch die große Hoffnung, dass es nur der schwächsteTeil einer insgesamt immer noch grandiosen Trilogie wird.


Spider-Man: Across The Spider-Verse Still

Spiderman – ACross The Spiderverse

Regie: Joaquim Dos Santos, Kemp Powers, Justin K. Thompson
2023, 140 Minuten
Mit Shameik Moore, Hailee Steinfeld, Brian Tyree Henry u.m.

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Im Zweifel vor dem großen Screen oder hinter der Kamera.