Lazy Queen beim Ahoi! Pop im Posthof Linz
Foto: Christoph Leeb

Schiff Ahoi! Auf in unbekannte Gewässer

Einmal quer durch Europa von Portugal über Tschechien bis nach Sibirien. Der Auftakt des heurigen Ahoi! Pop-Wochenendes im Posthof bot so einiges an Qualität und Internationalität. Ein Programm, welches zwar eher unbekannt war, dafür umso mehr überzeugte.

Immer wieder passiert es uns, die Qualität der Musik bzw. der Kunst anhand von Hörer:innenzahlen oder Besucher:innenzahlen zu bewerten. Ein Konzert war nur dann außergewöhnlich, wenn die Person vor einem fast immer auf die Zehen steigt und ein Moshpit schon bei der kleinsten Bewegung ausgelöst wird. Klar sind verkaufte Tickets aus einem wirtschaftlichen Blickwinkel extrem wichtig, aber der erste Ahoi! Pop Abend am Mittwoch war ein gutes Beispiel, dass es ein großes Gap zwischen Quantität und Qualität gibt.

Ich oute mich gleich vorweg: ich kannte keines der acht Musikprojekte und hatte somit auch null Erwartungen und ich stelle mal die wilde Hypothese auf, dass es den knapp 40 anderen Besucher:innen ähnlich ging. Somit war dieser Abend wohl eines der am schwächsten besuchten Konzerte, an welche ich mich im großen Saal erinnern kann, aber gleichzeitig auch einer der besten.

Liveurope ist die auf EU Gelder fundierte Organisation, welche die Konzerte am Mittwoch unterstützte und das Ziel verfolgt einen musikalischen Austausch innerhalb von Europa voranzutreiben. So war der Abend gefüllt mit internationalen Ausnahmetalenten.

Zu Beginn eine musikalische Überraschung

Leider fand das Konzert der ungarischen Band „The Courious Kind“ aus unbekannten Gründen nicht statt. Somit eröffnete „Aiko“ den Abend. Die Künstlerin wurde in Moskau geboren, wuchs in Tschechien auf und lebt aktuell in London. Diese verschiedenen kulturellen Einflüsse sind auch in ihrer Musik wiederzuerkennen. Ob durch eine sprachliche Einfärbung bei Songs wie „Naivni“ oder bei den Inhalten der Texte. Live hat Aiko zwei Musiker an ihrer Seite, Schlagzeuger Otomar Novotny und Gitarrist David Moudry. Die Exaktheit, die Genauigkeit und die unfassbare Power von Novotny hat uns total positiv überrascht. Aber auch die Sängerin Aiko hat mit ihrem sphärischen Gesang und ihrer massiven Bühnenpräsenz nachhaltig beeindruckt. Wer sich selbst ein Bild machen möchte: am 11.11 ist sie in Budweis mit ihrem aktuellen Album „Fortune’s Child“ zu Gast.

Saudações de Portugal

Im Foyer des Posthofes war eine weitere kleine Ahoi! Bühne aufgebaut, welche von dem aus Portugal stammenden Singer-Songwriter Pedro Castilho eröffnet wurde. Bekannt könnte der Musiker durch sein Mitwirken bei der Psychedelic-Rock-Band Savanna sein oder durch die Tatsache, dass er bereits mit seiner vierten Single „The Wind Blows“ den Novos Talentos Fnac Award gewann. Mit diesem Gewinn in der Tasche wurden die ersten Weichen für seinen nationalen und internationalen Erfolg gelegt. Anders als man den Musiker von seiner Platte „Today we´ll be the lucky ones“ kennt, präsentierte er vergangenen Mittwoch seine Songs sehr reduziert auf seinem Stagepiano. Es war seine allererste Show überhaupt in Österreich, wobei es nicht sein erster Aufenthalt in Linz. Er datete damals jene Frau, die nun für sein unglaublich hübsches Artwork beim Merch verantwortlich ist. Wir hoffen jedenfalls auf weitere Linz-Besuche, vielleicht mit einem Full-Setup?

Martim Braz Teixera alsia Jasmim übernahm von Pedro und komplettierte den portugiesischen Start. Der in Lissabon lebende Musiker und Songwriter überraschte uns mit einem rein portugiesischen Set. Mit Piano und Gitarre tauchte der Herr in seine wundervolle Musik ein und nahm uns auf seine Reise mit. Ein besonderes Highlight war der gemeinsame Song mit Castilho.

Der einzige bittere Beigeschmack an diesem ruhigen und doch auch besinnlichen Start war das räumliche Setting. Die sanften Töne der beiden Singer-Songwriter wurden leider immer wieder vom Sound aus dem Saal gestört und das intime Feeling, welches von den beiden Musiker*innen mühevoll aufgebaut wurde, wurde in dem Moment zerstört, wo sich die Tür zu dem großen Saal öffnete.

Ahoi! Bass, Strobo und Laser

Während es im Foyer eher ruhig zur Sache ging, startet badfocus mit seinem außergewöhnlichen Mix an Electronica und organischen Pianoklängen im Saal. Hinter dem Projekt verbirgt sich der in Prag lebende Produzent, Komponist und Multiinstrumentalist Prokop Korb. Dem doch sehr jungen Musiker wird eine internationale Karriere vorhergesagt. Demzufolge, was wir am Mittwoch hören durften, schließen wir uns der Meinung der Expert:innen auf jeden Fall an.

Draußen im Foyer ging es mit Alex Kelman weiter. Der aus Sibirien stammende Musiker lebt aktuell in Bratislava. Seine Musik lässt sich schwer einordnen und wir schließen uns der Meinung vom Ox-Magazine an.

Es pluckert und zirpt, es hallt nebelschwadig, es dronet und gazet, es ist mal eher noisy, dann wieder fast schon poppig und hat was von Achtziger-Filmsound-Track. 

OX Magazine

Der Synthesizer, die lärmenden Gitarren und die eingängigen Beats erinnern stark an die späten Achtziger bzw. frühen Neunziger. Dass Kelman mit seinem Schaffen den Nerv der Zeit trifft beweisen die drei veröffentlichten Alben und die mehr als 200 Shows, welche von dem Musiker bereits gespielt wurden.

Von Bratislava nach Berlin und zurück nach Prag – Schiff ahoi!

Die internationale musikalische Reise geht weiter nach Berlin, wo die beiden Musiker:innen Stafanie und Dennis de Beurs alias Wolf and Moon ihre Zelte aufgebaut haben. Das deutsch-niederländische Indie-Pop-Duo haben ihr aktuelles Album „To Get Lost“ mit im Gepäck, welches zum Teil auf ihrer Reise durch Schweden entstanden ist. Das Album erzählt von der Verletzlichkeit und die Schwere des Lebens, aber auch von Resilienz und Optimismus. Tools, welche beiden geholfen haben die persönlichen Schicksalsschläge durchzustehen. Am Mittwoch präsentierten sie ganz in Rot ihre Songs wie „Garden of Potential“. Wer klassischen Indie bzw. Folk liebt, sollte die Band auf jeden Fall in seine Playlist aufnehmen.

Highlight des Abends war jedoch der Musiker Jakub Kaifosz alias Lazer Viking. Ich denke, hier ist ein kurzes „What the fuck“ angebracht. Der Solomusiker hat es in sich, lässt sich ungern in ein Genre pressen und es scheint, als würde er das machen, was ihm gerade einfällt. Unverblümt und authentisch präsentiert er seine Geschichten rund um seine Musik. Neben den Synthie-Tönen, den Italo-Disco-Basslines und dem 80er-Techno-Sound setzt er das Stilmittel Ausdruckstanz unterstützend ein, um seine Story zu erzählen. Motiviert von Musiker:innen, welche die bekannten Wege verlassen, folgt er seinen eigenen Urinstinkt hinsichtlich Musik. Ein Produkt dieser Off-Road Musik ist sein aktuelles Album „Tunnel Vision“. Müsste man ihn mit jemanden vergleichen, dann würde wohl der Künstler Salo dem Lazer Viking noch am ehesten das Wasser reichen können. Wir können den frischen und aufregenden Zugang des Prager Musikers nur wärmstens empfehlen.

Qualität vor Quantität

Wenn man dachte, Lazer Viking hatte schon wenig Publikum, so war der Andrang zu den beiden letzen Bands Lazy Queen und Galzyhaze einfach nur traurig. Leider – denn eine Band wie Lazy Queen ist bestens dafür geeignet, größere Crowds zu unterhalten. Das Quartett rund um Lazy Queen hat mit ihrer EP „A Human Reaction“ die norwegische Musikszene im Nu erobert, auch international wird die Band von namhaften Magazinen wie dem Clash-Magizin oder dem Rolling Stone gefeiert. In Österreich gelten die vier Musiker noch als Geheimtipp. Schade eigentlich – denn in Sachen Bühnenpräsenz stehen sie großen Punkrock-Vorbildern um nichts nach. Gute Miene zu späterer Stunde machen sie auch, auch wenn die Show dann natürlich angesichts der eher verschwindend geringen Besucher:innenzahl eher einem Showcase als einem Konzert entsprochen hat. Schade!

Als die kleine Bühne im Foyer für den nächsten Tag umgebaut wird und die wohl allerletzten Biere des Abends getrunken wurden, schoss es auch uns nochmal durch den Kopf: da kommt doch noch eine Band? Ja, stimmt, eine hatte der Abend noch zu bieten. Es gibt wohl keine undankbareren Slots in Linzer Konzerthäusern als um Mitternacht an einem Mittwoch auf der Bühne stehen zu dürfen, oder in diesem Fall wohl zu müssen. Glazyhaze ereilte dieses Schicksal – die Combo aus Norditalien musste ihre Mischung aus Indie und Shoegaze vor schütterer Kulisse zeigen. Schade, denn für Fans des Genres ist Glazyhaze mehr als einen Abstecher wert. Und sollten sie mal in die KAPU, Stadtwerkstatt oder einen kleinen Linzer Geheimkeller kommen, dann bitte anschauen!

Fazit: ein bunter, musikalisch mehr als spannender Abend, der den eigenen Musikhorizont erweitern konnte. Hat nur leider nicht so viele Leute interessiert.

Foto: Christoph Leeb

zum Porgramm: posthof.at/ahoi

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