kiasmos maifeld derby 2024
Foto: Christoph Leeb

Kiasmos: Ein Zuhause für Ideen

Ólafur Arnalds und Janus Ramussen sind keine Unbekannten in der Musikwelt. In ihrem gemeinsamen Projekt Kiasmos haben die zwei Isländer aber zehn Jahre benötigt, bis sie mit „II“ ihr zweites Album veröffentlicht haben. Ein Album, für das sie sich Zeit gelassen haben.

Olafur Arnalds kennt man eher aus klassischen Konzerthäusern, Janus Rasmussen aus eher lauteren und pop-affineren Gefilden. Als Kiasmos stehen sie im Zeichen der elektronischen Musik und haben mit „II“ ihre zweite Platte veröffentlicht. Wir habens sie im Rahmen ihres Headline-Gigs am Maifeld Derby 2024 zum Interview gebeten.

subtext.at: Zum Einstieg – was bedeutet Kiasmos für jeden Einzelnen von euch?
Ólafur Arnalds
: Freiheit und Freude (lacht).
Janus Rasmussen: Freeedom (lacht).

subtext.at: Stichwort „Freiheit“ – das wäre mir auch gleich eingefallen, als ich über Kiasmos gelesen habe. Das Projekt startete vor gut fünfzehn Jahren, und es hat sechs Jahre bis zum ersten Album gedauert. Bis zum aktuellen Album „II“ hat es nochmals eine Dekade gedauert. Ist Kiasmos das Projekt, wo ihr euch abseits eurer anderen Projekte diese Freiheiten dazwischen erlauben könnt?
Ólafur Arnalds Ja, absolut. Kiasmos ist das Zuhause für einen ganzen Haufen von Ideen, die wir haben könnten. Die sonst nirgendwo reinpassen in das, was wir tun. Wir wollten auch das Touring „easy“ halten – wenn ich alleine toure, toure ich etwa mit drei Klavieren. Da ist so viel Drumherum. Kiasmos ist das, wo wir etwas reduzierter sein können, was auch Spaß macht.
Janus Rasmussen: Es ist aber auch eine Collage von unseren beiden Backgrounds, etwa in Rockshows, wo die Energie die Show treibt. Daneben mögen wir natürlich elektronische Musik – hier können wir diese beiden Elemente vereinen. Und, eigentlich, auch mehr von „klassischen“ Stilen. Also eine komplette Collage von all dem, was wir sonst machen.

subtext.at: Ihr kommt ja wie angesprochen von verschiedensten Musikrichtungen von Klassik bis Rock. Wie passen diese Einflüsse für euch in euren Köpfen so zusammen, dass Kiasmos dann so klingt, wie es klingen soll?
Ólafur Arnalds
: Vielleicht deswegen, weil wir da gar nicht so viel drüber nachdenken wollen. Kiasmos ist so etwas wie die unterbewusste Kombination aus uns Zweien, was auch immer das dann sein mag. Wenn es wie jemand anders klingen sollte, ist es mir auch egal. Wenn es einzigartig klingen sollte: großartig (lacht).

subtext.at: Im Text zum aktuellen Album „II“ heißt es, dass „das Album ein Test für eure Freundschaft“ gewesen sei. Inwiefern war das ein Test?
Ólafur Arnalds
: (lacht) Das steht in diesem Text? Ich muss jemanden anrufen! (lacht)
Janus Rasmussen: Wir werden immer darauf angesprochen, komischerweise. Dabei ist es natürlich nichts Dramatisches.
Ólafur Arnalds: Vielleicht heißt es das – ein Test dahingehend, wie geduldig man sein kann. Und kann man damit leben, dass es zehn Jahre dauert. Kann man dazwischen auch mal weg von Kiasmos und dann wieder zusammenarbeiten?
Janus Rasmussen: Es ist vielleicht auch das Fehlen von Druck, was es ausmacht. Es gab keinen Druck in diesen zehn Jahren – wir wollten zwar ein neues Album machen, hatten aber niemals Zeitdruck.

subtext.at: Stichwort „Druck“ – ist das dann quasi der Gegensatz zum ersten Album, das innerhalb kürzester Zeit aufgenommen und gemastert wurde? Und inwiefern beeinflussen euch zehn Jahre zwischen zwei Alben, wenn es um den Sound von Kiasmos geht?
Ólafur Arnalds
: Wir haben einen Großteil der zehn Jahre ja auch nicht unbedingt daran gearbeitet (lacht).
Janus Rasmussen: Die Songs in der Grundform stammen aus dem Jahr 2017 – damals waren die fast fertig. In den Jahren danach haben wir die Songs dann noch überarbeitet und fast schon „re-made“. Die meiste Musik auf „II“ stammt jetzt aus dem Jahr 2021.

subtext.at: Also seht ihr es schon als Luxus, nicht unbedingt dazu gedrängt zu werden, unbedingt ein Album zu veröffentlichen?
Ólafur Arnalds
: Glaub mir, wir wurden gedrängt, die ganze verdammte Zeit lang (lacht).
Janus Rasmussen: In den letzten Jahren schon – die Labels wurden dann schon langsam ungeduldig.
Ólafur Arnalds: Wir haben aber immer gesagt: „It happens when it happens, guys!“.
Janus Rasmussen: Es schmeichelt dann natürlich schon, weil alle ein neues Album wollten.
Ólafur Arnalds: Aber ja, es war ein Luxus, es nicht unbedingt veröffentlichen zu müssen.

subtext.at: Darauf wollte ich gerade hinaus – war es auch für euch dieser Luxus, einerseits nicht veröffentlichen zu müssen, es andererseits aber zu können und zu wollen?
Ólafur Arnalds
: Ja, auf jeden Fall. Was unser Glück war, war, dass wir es einige Male versuchen konnten und sehen konnten, ob es für uns passt. Und auch, es nochmal umzustoßen und es nochmals anders versuchen zu können zu schreiben. 2020 haben wir auch gedacht, dass wir eben gerade nicht zufrieden waren mit dem, wie es aussah. Und beschlossen haben, es später nochmals zu probieren. Das ist der wahre Luxus dahinter – obwohl natürlich der Druck da ist, es dennoch so machen zu können. Und es aber dennoch zu machen und auch das Mindset dahinterzubekommen, dass die nächsten ein bis zwei Jahre „Kiasmos“ sein werden.

subtext.at: Letztes Mal habe ich dich, Olafur, solo gesehen. Siehst du es für dich auch eine Art Luxus, hier einerseits in klassischen Konzerthallen zu spielen, andererseits aber auch auf Festivals oder Clubbühnen?
Ólafur Arnalds
: Das ist wundervoll, ja. Diese Freiheit – es ist Tanz, Katharsis, man darf auf der Bühne herumspringen, das Publikum dreht durch und tanzt. Das ist großartig.
Janus Rasmussen: Natürlich ist es so, dass das Musikbusiness dich kategorisieren will. Es ist gut, andre Outlets zu haben, wo man Freiheiten hat. Ich etwa habe auch andere Projekte, die einfach Pop-Musik sind. Das macht auch richtig Spaß, aber diese kleine „Pocket“ von Kiasmos zu haben, ist einzigartig. Die kriegst du auch nirgendwo anders.

subtext.at: Wie schaffst du es dann, montags etwa Pop-Musik zu schreiben und dienstags Kiasmos am Programm zu haben?
Janus Rasmussen:
Als Produzent gehe ich ehrlich gesagt gerne auf andere zu. Ich selber finde es relativ langweilig, nur ein Ding zu machen. Ich war lange in der Techno-Elektronik-Welt eingetaucht, und am Ende hat mich das fast schon gelangweilt auch. Dementsprechend wollte ich mehr verschiedene Dinge machen. Kiasmos selbst ist auch sehr variabel, ehrlich gesagt, wie man heute auch hören wird. Da gibt es viele Einflüsse, auch wenn es natürlich einen Faden dahinter gibt.

subtext.at: Wie lang hat das gedauert, diesen Faden in „II“ zu bringen?
Ólafur Arnalds
: Sieben Jahre. (lacht)

subtext.at: Gab es in diesen sieben Jahren dann auch Auseinandersetzungen, immerhin habt ihr euch in diesen sieben Jahren ja auch mit Sicherheit verändert?
Ólafur Arnalds
: Es sind keine Auseinandersetzungen, eher verschiedene Perspektiven. Wenn man mit jemandem arbeitet, kommt man natürlich am Ende auf einen gemeinsamen Weg. Wir sind beide Produzenten, und wo wir glaube ich wirklich gut sind, ist es, am Ende Lösungen finden zu können.

subtext.at: Nochmal zurück zum Start von Kiasmos – ihr habt euch in Reykjavik vor mehr als 15 Jahren kennengelernt. Retrospektiv betrachtet: Wie hat sich Kiasmos in den letzten 20 Jahren verändert?
Ólafur Arnalds
: Also, warum wir das machen?

subtext.at: Eher, warum ihr das immer noch macht?
Ólafur Arnalds
: Das ist die Frage, die wir uns letztes Jahr stellen mussten. Natürlich hätten wir aufhören können. Und natürlich haben wir uns dann auch gefragt: Brauchen wir noch ein neues Album? Oder wäre es nicht auch cool, dieses eine, großartige Album gemacht zu haben? Aber oft sind wir auch in unseren Ideen gefangen. Man hat eine Idee, und man steckt dann oft in dieser Idee fest. Die Wurzel guter Ideen ist es auch oft, nichts zu haben. Manchmal ist es auch schlecht, auf etwas aufbauen zu müssen. Darum haben wir auch darüber nachgedacht, dass es vielleicht gar kein neues Album geben sollte. Wir wollten so lange nicht angehen, bis wir es wirklich gefühlt haben.

subtext.at: Wann war dieser Punkt, wo ihr es wieder gefühlt habt?
Janus Rasmussen:
Wir haben es zwischendurch immer wieder mal probiert, einfach weil es Spaß gemacht hat. Kiasmos ist ein Kanal, der Spaß macht. Aber wie Olafur gesagt hat, hat es sich dann auch oft nicht richtig und aufregend angefühlt. Wir wollen, dass uns das Album aufregt. Vor zwei Jahren war es dann so, dass sich in unseren Köpfen etwas getan hat, und der Sound formte sich auch. Das ist dann der Punkt, wo man weiß, dass es so weit ist. Momentum bildet sich dann zusätzlich, und auch das Songschreiben wird leichter, wenn das Feeling und der Sound passt.

subtext.at: Zu Beginn habe ich gefragt, was für euch Kiasmos ist. Was soll Kiasmos für euch nicht sein?
Ólafur Arnalds
: Es soll sich nicht wie Arbeit anfühlen.

subtext.at: Hat sich Kiasmos mal wie „Arbeit“ angefühlt?
Ólafur Arnalds
: Vielleicht zum Ende hin, bevor wir eine Pause eingelegt haben. 2018 nach vielem Touren – vielleicht ist es auch zu einem gewissen Grad unsere Schuld, weil wir zu zu vielen Dingen Ja gesagt haben. Es ist leicht, im Moment Ja zu sagen, und es dann ein paar Monate später auch umsetzen zu müssen. Da haben wir draus gelernt – sind reflektierter und auch offener zu sagen, wie und wo wir spielen und andere Dinge machen möchten.

subtext.at: Also wollt ihr auch exklusiver werden, nicht mehr unbedingt monatelang touren, sondern eher ausgewählte Shows und Festivals?
Janus Rasmussen: Würden wir gerne, ehrlich gesagt.
Ólafur Arnalds: Das ist heutzutage natürlich schwierig. Und natürlich schwieriger, als es war. Weil es natürlich so viele Bands und Venues draußen gibt, die Gigs suchen. Wir haben heute schon mit unserem Booker über Shows im kommenden Jahr gesprochen – einfach weil Venues so lange ausgebucht sind.

subtext.at: Was ich hierbei nicht vermeiden kann: Glaubt ihr, dass Kiasmos als das Projekt gesehen wird, oder als „das Projekt von Janus Rasmussen und Olafur Arnalds“?
Janus Rasmusen:
Ich weiß es nicht. Die Namen helfen schon, glaube ich.
Ólafur Arnalds: Es verändert sich hier gerade vieles. Unser Album ist zum Beispiel auf Spotify sowohl unter „Kiasmos“ als auch unter unseren Namen zu finden. Man braucht aber jeden Push, ob der Menge an Releases gehört zu werden.
Janus Rasmussen: Wir würden sicher nicht als Headliner auf der Main Stage der Festivals spielen, wenn es nicht unter unseren beiden Namen laufen würde.

kiasmos II

Kiasmos – II

VÖ: 05.07.2024

Erased Tapes
CD, LP, diverse Vinyl-Varianten

www.kiasmos.is


Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.