sunnseitn 2023
Foto: Christoph Leeb

Sunnseitn 2023: Treffen der Generationen

Es gibt wohl kein kulturelles Fest im Mühlviertel, das derart gekonnt verschiede Genres und Generationen an Musikfans verbindet: die Sunnseitn in Freistadt. 2023 sehr gut besucht und mit weniger Regen als erwartet.

Zugegeben: ein bisschen voreingenommen sind wir schon, was die Freistädter „Sunnseitn“, die jährlich Ende Juli über die Bühne geht, betrifft. Kein Wunder, ist doch die Location mitten in der Freistädter Brauerei wie gemacht für ein solches Spektakel. Dass die Verpflegung in dem Fall gut ist, ist auch kein Wunder – wenn schon unser Lieblingsbier dort gebraut wird.

Aber auch was das Lineup betrifft haben sich die Veranstalter:innen heuer nicht lumpen lassen. Auf „Tanzböden“, wie die verschiedenen Bühnen auf der Sunnseitn genannt werden, ist von Volkstanz bis Drum&Bass alles vertreten, was Töne erzeugt. Kann man sich schwer vorstellen, dass das funktioniert? Kleiner Spoiler vorweg: tut es.

Denn die Sunnseitn schafft etwas, was nur wenige Feste schaffen: verschiedenste Musikrichtungen so in den Abend zu integrieren, dass es so aussieht, als wäre das „eh schon immer so gewesen“. Da kommt es dann auch schon mal vor, dass mit der „Hudaki Village Band“ beim Betreten der ehrwürdigen (und sehr gut brauenden) Freistädter Brauerei eine ukrainisch-karpatische Band auf der Bühne steht. Die klingen dann schon mal ungewohnt – macht aber nix, für uns Freund:innen der alternativeren Musikkultur geht es am Gastgarten der Braugaststätte vorbei hin in die Lagerhalle.

Apropos Gastgarten: dort wurde ebenfalls getanzt, zu Bands wie „White Faces“. Da haben wir auch noch nix gehört davon vor der Sunnseitn, aber der tanzenden Meute nach zu urteilen dürfte das mehr als Spaß gemacht haben. Wir starten unseren Konzertabend in der Lagerhalle. Ummantelt wird die zumindest an diesem Abend als Konzertlocation umfunktionierte Halle von wunderschönen grünen Bierkisten. Erster Act auf der Stage: Lighter On The Moon. Quasi mit Heimvorteil, wie das treue Publikum lautstark bewiesen hat. Mitterweile auch in Wien mit dem Mittelpunkt des Schaffens wird hier eine Mischung aus Rock, lautem Rock und ein bisserl Punk geboten. Erfindet für uns das Rad jetzt nicht unbedingt neu, hat aber das Soll des Openers durchaus erfüllt.

Zwischen Electro und Akkordeon

Danach zu einem heimlichen Highlight des Abends, auch wenn das außer dem Autor dieser Zeilen nicht allzuviele so gesehen haben dürften: Afar. Das Berliner Duo hatte die etwas undankbare Aufgabe den zweiten Slot in der Lagerhalle, zwischen der angesprochenen Rockband am Anfang und den Krachmachern Leftovers danach, bespielen zu müssen. „Rational Ecstasy“ heißt die Platte, „Tell Me More“ die neueste EP. Afar schaffen hier einen gelungenen Mix an Electronic-Ambience-Soundkulissen. Klingt anspruchsvoll? Ist es vielleicht auch, zumindest im Vergleich zu den anderen Acts drumherum. Wurscht – uns hats gefallen, viele andere dürften während des Konzertes dem Ratsherrn verfallen sein. Aber auch das ist die Sunnseitn!

Wenn wir schon bei Highlights sind, müssen wir allerdings auch den Brasilianer Renato Borghetti auf der größeren Stage erwähnen. Was man mit Akkordeon, Querflöte, Gitarre und Drumset hier an verzwickten Arrangements auf die Bühne gebracht hat, ließ nicht nur uns an diesem Abend staunen. Einer der Acts, von dem man vielleicht noch nicht allzu viel gehört hat, zumindest als Alternative-Musikkonsument, den man aber sofort in die Rubrik „Artists auf Heavy Rotation“ schiebt. Auch einige Tage später hängt das Konzert noch in den Ohren nach – alles richtig gemacht!

Die qual der Musikwahl

Danach: Entscheidung. „Krach“ mit den Leftovers oder Bossa Nova auf der Oldtimer-Mainstage? Ok, beides. Die Leftovers präsentieren sich gewohnt: laut, laut, laut und nochmals laut. In den ersten Reihen weiß man auch nicht, ob der Sound von den immens laut aufgedrehten Amps oder aus der PA kommt, aber eins ist gewiss: es ist laut. Leftovers verstehen sich als Sound einer Generation – „Gesichter“, „Kinderzimmer“, „Keine Zeit“, das neue „15. Bezirk“ sind Hymnen einer jungen Generation. Nicht jedermanns Sache – aber viele waren dann doch genau wegen dieser Band zur Sunnseitn gekommen. Punk, Rock, Underground, Grunge – es gibt keine Schublade, wo Leftovers hinpassen. Vielleicht ist das ja auch das Gute daran. Ich bleibe hier beim Charakterisieren beim Namen des Debutalbums: „Krach“.

Draußen auf der Main Stage gab es den wohl größtmöglichen Kontrast: Bossa Nova aus Italien. Luca Bassanese samt Live-Simultan-Übersetzung von italienischen in englische Zwischenansagen. Tanzbarer Bossa Nova, für jede Bühne und jedes Straßenmusikfestival bestens geeignet. Tanzendes Publikum? Check! Applaus? Check! Pünktliches Ende um Mitternacht? Nicht so ganz Check, und so kamen nicht nur die Tanzenden vor der Bühne, sondern auch der Veranstalter ob des Curfews um Mitternacht ins Schwitzen.

Abschluss mit Electronic afro dub

Unseren letzten Act des Abends kennen wir bereits: Tasheeno. Das Linzer Projekt verbindet Afro und Dub-Einflüsse mit elektronischen Einflüssen und ist wie gemacht wie ein Act für 00:30: tanzbar, tanzbar, tanzbar. Biergeschwängert war die Luft in der Konzerthalle dann schon – macht aber nix, denn eine solche Luft ist dann auch wie geschaffen für Tasheeno. Die Musiker on stage? Profis, die wissen, wie man mit einem Publikum umgehen muss. Tanzbar, energiegeladen, und ein würdiger Abschluss einer Sunnseitn 2023, die für einige dann noch im Drum&Bass-Floor im Juchee endete. Für uns halt leider wieder mit einer Fahrt nach Linz.

Fazit: wie immer ist die Sunnseitn wohl das Fest, das wirklich jeden Musikfan zufrieden stellen wird. Der subjektiv gesehen ganz gute Besuch gibt den Veranstalter:innen recht, an diesem breiten Konzept festzuhalten. Ein Fest, wo man immer Neues entdecken wird, wenn man sich darauf einlässt. Und das Bier ist sowieso über jeden Zweifel erhaben!

Fotos: Christoph Leeb, Lisa Leeb, Oskar Fleischanderl

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.