Filmstill Es muss was geben
Foto: Crossing Europe

„Wir hatten ja keine Ahnung, wie das Landgraf in den Siebzigern aussah“

Im Zuge des Crossing Europe Festivals feiert „Es muss was geben“, der Film zum gleichnamigen Buch von Andreas Kump, kommende Woche Weltpremiere. subtext.at störte die beiden Produzenten der Doku bei den letzten Tonkorrekturen vor der Veröffentlichung in der Kapu, selbst legendärer Austragungsort der alternativen Linzer Musikszene.


Das Buch wurde von der Kritik unter anderem als „Das beste Buch, dass es über Linz gibt“ bezeichnet. Provokant gefragt: Braucht es den Film?

Christian Tod: Definitiv – der Film ist ein komplett anderes Medium. Was mir am Buch immer ein bisschen abgegangen ist, sind die Eigenheiten der Protagonisten, ihr eigene Sprache, ihre Gestik, ihre Mimik. Es macht einen reisen Unterschied, wenn man die Leute auch sieht und hört.

Wie seid ihr auf den Stoff gestoßen?
Christian Tod: Andreas Kump, den Autor des Buches, haben wir vor ca. zweieinhalb Jahren zufällig in Wien bei einer Präsentationsfeier des SilverServer Magazins kennen gelernt. Er hat gesagt, dass er gerade ein Buch über die Linzer Alternativ-Musikszene geschrieben hat und wir haben gesagt, dass wir gerade einen Film in Linz (Fatsy, crossingEurope 2007) gemacht haben. So entstand die Idee, dass wir eigentlich filmisch aufarbeiten könnten, was er in Buchform vorgelegt hat.

In welcher Beziehung steht ihr zu Linz bzw. zur Linzer Szene?
Christian Tod: Wir sind beide aus Linz und hatten unsere gesamte Sozialisation hier – allerdings zu einer Zeit, in der das, was wir im Film behandeln, eigentlich schon vorbei war. Der erste Kontakt war für mich die Präsentation des „Dicht machen“ Samplers, glaube 1992 im Posthof, wo ich zum ersten Mal Musik der Kapu-Bands gehört habe.

Ihr seid persönlich nicht mehr in direkten Kontakt zur damaligen Szene gekommen?
Christian Tod: Nein, das war gerade das Interessante. Wir haben zu einem Zeitpunkt zum Fortgehen angefangen, an dem diese Generation – man kann nicht sagen „schon abgelöst war“, da es sie immer noch gibt – aber an dem schon eine neue Generation in der Kapu und Stadtwerkstatt war. Das war für uns eine spannende Entdeckungsreise, da wir diese Räume als selbstverständlich angenommen haben – beim Fortgehen beschäftigt man sich nicht unbedingt mit der Geschichte der Häuser.

Gab es Recherchen über den Inhalt des Buchs hinaus?
Oliver Stangl: Haben wir gemacht – es sind Personen im Film dabei, die im Buch nicht vorkommen, allerdings auch umgekehrt. Das Buch hat als Basis gedient, als Orientierung ,was zu dieser Zeit los war – wir hatten ja keine Ahnung, wie das Landgraf in den Siebzigern aussah. Auch im Zuge des Kontakts mit den Leuten der früheren Szene und in Interviews selbst ist noch sehr viel Neues zu Tage getreten.

Namen, die im Buch nicht vorkommen?
Christian Tod: Spontan fällt mir da etwa Herbert Schager ein, der Künstler.
Oliver Stangl: Und Hans Priesenaner, der Aquarium Wirt, der damals das E-Schmid, das legendäre Lokal, geführt hat.

Welche der damaligen Künstler und Künstlerinnen würdet ihr auf Basis eurer Recherchen gerne nochmals live erleben?
Christian Tod: Super wär es natürlich, wenn Willi Warma eine Reunion machen könnten – geht nur leider nicht, da Julius Zechner, ein Originalmitglied, tragischerweise 1992/93 an Aids verstorben ist. Möglicherweise würden wir ja auch die Rats, wobei – da dürfen wir nicht zu viel verraten… (lacht).

Wie ist der Film aufgebaut? Konntet ihr an genügend Archivmaterial kommen?
Christian Tod: Es gibt keine Back-Kataloge – darum haben wir auch nicht viel gewusst über die Bands, die es damals gegeben hat. Wir haben uns deshalb in den Archiven vergraben und haben hunderte Stunden an Video und Super8 Material gefunden, wir haben Unmengen an Fotos und sogar rare Tonaufnahmen ausgegraben. Die Leute haben selber teilweise nicht gewusst, dass es diese Filmaufnahmen gibt und werden jetzt bei der Premiere vermutlich ziemlich erstaunt sein.
Oliver Stangl: Hervorheben muss man vor allem auch Wolfgang Lehner, der „Lewo“, der in den späten 70ern und frühen 80ern sehr viel auf Super8 gedreht hat. Ihm haben wir es zu verdanken, dass es tolle Willi Warma Aufnahmen gibt. Und Andreas „Fruchti“ Feichtner, der ab 1988 mit seiner Videokamera so ziemlich jedes Kapu Konzert gefilmt hat. Und Udo Danielczyk für sein Fotoarchiv!

Seid ihr im Zuge der Recherchen und des Drehs sonst auf Probleme gestoßen?
Christian Tod: Die einzigen Probleme, die wir gehabt haben, war finanzielle Probleme (lacht).

Wie finanziert ihr den Film?
Christian Tod: Wir haben vier Fördergeber – die Stadt Linz, das Land Oberösterreich, der SKE Fonds der Austro Mechana und die Arbeiterkammer Oberösterreich. Allerdings machen die Förderungen in ihrer finanziellen Größenordnung wirklich nur einen Bruchteil der Produktionskosten aus. Wir haben einfach irrsinnig viel Arbeit reingesteckt und müssen auch natürlich unseren Protagonisten und Lizenzgebern danken, die uns sehr viel Material auch unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben.
Oliver Stangl: Und auch auch unserem tollen Kameramann, dem Gregor Zentner, der quasi alles umsonst gemacht hat. Der ist auf der Filmakademie und ohne ihn wäre es viel schwieriger geworden, das Projekt zu umzusetzen.

Die „freie Szene“ ist ein beliebtes Schlagwort in Linz. Gibt es diese tatsächlich oder ist sie nicht schon Teil des Establishments?
Oliver Stangl: Man sieht gerade in der Kapu, dass es immer wieder gelingt, junge Leute rein zu bringen, dass es auch immer ein bisschen Abwechslung gibt, dass nicht die Alteingesessenen auf den Subventionen sitzen bleiben. Deswegen sagt Didi Bruckmayr (Fuckhead, Anmk. d. Red.) im Film, dass die Kapu seiner Meinung nach immer so gut funktioniert hat, da sie nie mehr sein wollte als ein Jugendzentrum – und da erneuern sich die Leute von selbst. Und ich finde, dass Linz nach wie vor sehr viel spannende Sachen zu bieten hat, vielleicht sogar mehr denn je.

Will man das Buch noch lesen, nachdem man den Film gesehen hat?
Christian Tod: Na auf jeden Fall! Das Buch ist einfach noch viel umfangreicher, es geht mehr ins Detail, als der Film es kann. Der Film dauert 104 Minuten, er komprimiert die Zeit und bringt sie auf den Punkt.
Oliver Stangl: Es sind einfach zwei verschiedene Welten, das Buch und der Film. Der Film setzt mehr auf Atmosphäre wohingegen es im Buch möglich ist, viel mehr Daten und Fakten unterzubringen. Aber es sind auf jeden Fall zwei Welten, bei denen es sich aus verschiedensten Gründen lohnt, sie entweder zu lesen oder anzuschauen.

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