Read her lips: JESSIE WARE und die geglückte Rückkehr zum Disco-Soul

Tanzbarer als bisher: „What’s Your Pleasure?“, das vierte Album von Jessie Ware, verbindet das melodische Einfühlungsvermögen ihres sinnlichen Debüts „Devotion“ mit der filigranen Leichtigkeit der beiden Nachfolger. Ein gediegener Balanceakt, den sie mit Bravour meistert. Genau das Album, das man sich von der Britin gewünscht hat.

Dieses Album gibt keine Antworten. Dieses Album stellt Fragen, private wie allgemeine. Liebe und Sex, Beziehung und Anziehung. Wo fängt die Zuneigung an, wo hört die Hingabe auf? Ware ist sich dieser zwischenmenschlichen Problematik bewusst, die uns alle früher oder später einholt, und blickt zurück, um ihre musikalischen Stärken für diese Platte erneut zu verinnerlichen und sie mit einem modernen Twist zu versehen. Dieses Wechselspiel aus elegant klingenden, einprägsamen Melodien und einem rhythmisch pulsierenden Tempo ist es, was „What’s Your Pleasure?“ zu einem besonderen Werk macht.

Ware versteht es dabei wieder meisterhaft, Dynamiken aufzubauen. Die gingen sowohl „Tough Love“ als auch „Glasshouse“, den letzten beiden Platten, auf Albumlänge doch etwas ab. Nichtsdestotrotz gilt die 35-Jährige zwischen melodischem Pop und Post-R’n’B als verlässliche Konstante auf gleichbleibend gutem Niveau. Sie weiß, was sie tut und sie tut dies, um den Glamour-Faktor herum, leidenschaftlich. Musik, die nicht für hysterische Teenager im TikTok-Modus gemacht ist, sondern für ein gestandenes Publikum, welches auf Substanz und Stilbewusstsein Wert legt.

Weil die Welt mal wieder vor die Hunde geht, wird dem Eskapismus gefröhnt. Verständlich. Ware ist in den Nostalgiebrunnen gefallen und hat beim Auftauchen tolles Electro Funk-Material in 70er Manier mitgebracht, bei denen sie nicht vollends aufdreht, sondern durch cooles Understatement glänzt. Songs wie das von einem unbeirrbaren Synthie-Loop geprägte „Soul Control“ oder der lasziv vibrierende Titeltrack klingen wie eine Update-Version von Donna Summer und die groovende Basslines prägen das Bild wie zu Michael Jacksons „Thriller“-Glanzzeiten.


Das sind Post-Discobeats, stets mit einer Prise Melancholie versehen, dafür steht Ware, die vom kürzlich verstorbenen Giorgio Moroder hätten stammen können. Dazwischen tummeln sich Pop-Momente wie der perfekte Opener „Spotlight“ oder „Save A Kiss“, welche auch einer Kylie Minogue im Jahr 2020 gut stehen würden. Das ist auf Augenhöhe mit den Vorbildern, geschmackvoll und kurzweilig dargeboten. Dass das Ganze dabei nicht zu einer aalglatten Angelegenheit geworden ist, verdanken wir der organischen Produktion von James Ford, der schon für Depeche Mode oder Florence Welch an den Reglern stand. „What’s Your Pleasure?“ ist ein funkelnder Farbtupfer im manchmal tristen Pop-Grau. Und vor allem eins: Geschmackssicher.

Tracklist:
01. Spotlight
02. What’s Your Pleasure?
03. Ooh La La
04. Soul Control
05. Save A Kiss
06. Adore You
07. In Your Eyes
08. Step Into My Life
09. Red My Lips
10. Mirage (Don’t Stop)
11. The Kill
12. Remember Where You Are

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Fotos: Universal Music

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