Mit Schmutz wählt sichs leichter

George Clooneys „The Ides of March“ behandelt die dunkle Seite amerikanischer Wahlkämpfe. Karriere-besessene PR-Manager, haarsträubende Intrigen und perfide inszenierte Schmutz-Kampagnen prägen den spannend erzählten Polit-Thriller. Doch wie sieht die Sache tatsächlich aus? Wählt sich‘s mit Schmutz tatsächlich leichter, oder handelt es sich bei „The Ides of March“ bloß um dramaturgische Übertreibungen?

Ein grandioser Schlusspunkt der Viennale – das fesselnde Polit-Drama „The Ides of March“ von und mit George Clooney räumt auf mit Illusionen des westlich-demokratischen Wahlzirkus‘. Im Blickpunkt des Films: Die Vorwahlkämpfe der US-Demokraten zur Präsidentschaftswahl in den USA. Der Kampf um zukünftige politische Ämter lässt die verschiedenen Kandidaten und deren Wahlkampfmanager zu schmutzigen Abmachungen, Intrigen und Kampagnen greifen. Mike Morris liegt in den Umfragen gut, doch seine Widersacher schmieden Partei-übergreifende Allianzen, um seinen Sieg zu gefährden. Im Zentrum auch Morris‘ junger Wahlkampfstratege Stephen Meyers, glänzend gespielt von Ryan Gosling, der gegnerischen Wahlkampfmanagern in die Falle tappt. Seine Karriere scheint vorbei, als er Wind von einem Sex-Skandal bekommt, der Morris‘ Kandidatur zu Grunde richten könnte. Geschickt setzt Meyers sein Druckmittel ein, verkauft nebenbei seine, anfangs durchaus korrekte, politische Seele und ebnet Mike Morris doch noch den Weg zur US-Präsidentschaft.

Negative Campaigning, oder seit dem Präsidentschaftswahlkampf 2004 auch Swiftboating genannt, ist jene Wahlkampfmethode, die auch europaweit an Bedeutung gewinnt. Die gezielte Diffamierung einzelner politischer Kandidaten, Parteien oder Gruppen geschieht meist über Massenmedien und in Extremfällen über eigens gegründete Vereinigungen, so geschehen 2004, im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf. Der Demokrat John Kerry stellte sich im Zuge des Wahlkampfes wiederholt als erfahrener Vietnamkriegs- Veteran dar, worauf Bushs Wahlkampfstrategen eine Gruppe von Veteranen finanzierten und unterstützten, deren einzige Aufgabe darin bestand, Kerry öffentlich der militärischen Unfähigkeit zu bezichtigen. Kerrys Popularitätswerte litten unter den Anschuldigungen enorm. Auch der regierende Präsident Barack Obama wurde bereits mehrfach Opfer derartiger Schmutzkampagnen von republikanischer und auch demokratischer Seite. Beispielsweise wurden wiederholt Gerüchte gestreut er sei Moslem und habe eine Drogenvergangenheit.

Während Negative Campaigning meist unangenehme Wahrheiten und Halbwahrheiten medial pusht, setzt Swiftboating auf gezielte Falschmeldungen. Ein österreichisches Beispiel für zumindest unbewusst verfolgtes Negative Campaigning war die politische Instrumentalisierung des BAWAG-Skandals, der just vor der Nationalratswahl im Herbst 2006 medial publik wurde. Damals versuchte die ÖVP, der SPÖ mit dem Skandal nachhaltig zu schaden, um sie für die Wahl zu schwächen. Doch die „Bombe“ platzte vermutlich zu früh – die SPÖ hatte genügend Zeit Gegenstrategien zu entwickeln, um den Kopf aus der BAWAG-Schlinge zu ziehen und gewann die Wahl mit knapper Mehrheit. Besonders gehässig wurde auch der Wien-Wahlkampf 2010 geführt, im Zuge dessen sich FPÖ und SPÖ einen wahren Schlagabtausch an Negative Campaigning lieferten.

Noch wirksamer als Wirtschafts- und Korruptionsskandale scheinen Sexaffären zu sein. Zahlreiche Beispiele zeigen, wie sehr derartige Vorfälle politischen Karrieren schaden können. Von Clinton, über Berlusconi, Strauß-Kahn und Schwarzenegger, bis hin zum aktuellsten Beispiel Herman Cain, dessen US-Präsidentschaftskandidatur von einem Sex- Skandal überschattet wird. „I did not have sexual relations with that woman..“, sah sich Bill Clinton im Zuge der Lewinsky-Affäre gezwungen zu äußern. Die Praktikantin ist es auch in  „the Ides of March“, die den Mächtigen zum Verhängnis wird. George Clooneys Film stellt die immerwährende Frage nach Moral und Rückgrat in Politik und Gesellschaft und gibt darüber hinaus faszinierende Einblicke in die Abgründe der US-amerikanischen Wahlkampfmaschinerie. Glänzende Schauspieler und die bewusste Zuspitzung der Thematik sorgen für reichlich Spannung und beeindrucken vermutlich auch – oder gerade – politisch Desinteressierte.
Filmstart: 23.12.2011