PAUL BANKS: Aus-dem-Schatten-treten

Wie viel Tiefe kann eine Stimme besitzen? Welches Maß an Charakter muss sie haben, um einen zu begeistern? Möglicherweise kennt Paul Banks, Sänger von Interpol, die Antworten auf diese Fragen. Von Pseudonymen hat er erst mal die Nase voll und veröffentlicht sein zweites Soloalbum unter eigenem Namen. Julian Plenti hat ausgedient. Das macht manches einfach, aber nicht alles.

Der Reiz bei Paul Banks, er braucht seine Weile. Das „Funktionieren müssen“, was heutzutage in unserer Leistungsgesellschaft unabdingbar scheint, spielt auf „Banks“ keine Rolle, denn das Material nimmt sich alle Zeit der Welt zur Entfaltung. Zwischen Laptopelektronik und abstrakt klingendem Indie haben klangliche Raffinessen ihren Platz gefunden.

Die Songs, tja, sie gebärden sich leicht progressiv, winden sich hier und da wieder aus den Händen wie die Single „Young Again“ – sie tut im Grunde alles, um nicht auf Anhieb gemocht zu werden. Dafür beißen sich andere Stücke in dein Bewusstsein fest. Das flott marschierende „Over My Shoulder“ rockt fast traditionell und „The Base“ nimmt mit seiner großartigen Leitmelodie sofort gefangen. Wenn Banks mit seinem unvergleichlichem Timbre Zeilen wie „Over my shoulder there’s a heart that suffers deep“ singt, lasse ich mich wirklich gerne davon einwickeln. Leidenschaft und Tragik vereinen sich zu einem wunderbaren Organ – mehr als ansehnlich.

Der Zauber seiner Stimme ist noch vorhanden, das darf bejaht werden, allerdings strahlen nicht alle Songs gleich hell. „Another Chance“ und „Lisbon“ sind zwei instrumentale Zwischenstopps, die keine wirkliche Daseinsberechtigung besitzen. Vieles ist rhythmisch vertrackt, denn die Instrumentierungen sind immer etwas anders als das, was man so kennt und üblicherweise gewohnt ist. Pumpende Bässe und Beats setzen stets passende Kontrapunkte zum verträumten Wohlklang, den die Platte beispielsweise in „Arise, Awake“ auffährt.

„Banks“ ist nicht der große Wurf, den einige erwartet haben, und eine sanft in sich gekehrte Platte, die Entdeckenswertes zwischen Computer-Takten, Stimmsamples und klassisch geschultem Indierock für einen parat hat. Ich möchte es mal vorsichtig auf diese Weise formulieren: Erarbeitungsbedürftig.

Facts:
Paul Banks – Banks
Gesamtspielzeit: ca. 40 Minuten
Matador Records (Beggars Group)

Links & Webtips:
bankspaulbanks.com
facebook.com/interpol
twitter.com/bankspaulbanks

Foto: Beggars Group

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