Crossing Europe: Reality

Reality ist ein Drama, das in Cannes 2012 den großen Preis der Jury gewonnen hat. Grund dafür ist mit Sicherheit die authentisch kreierte Geschichte um den Fischhändler Luciano aus Neapel, der dem Traum von Reichtum und Ruhm durch die Aussicht auf eine Teilnahme bei Big Brother ganz und gar verfallen ist.

Es macht den Eindruck also ob der fidele Luciano aus Neapel (Aniello Arena) gemeinsam mit seiner Familie und den vielen Verwandten ein schönes Leben hat. Er verkauft mit Talent lauthals seinen Fisch und unter der Hand wäscht er etwas Geld durch den Wiederverkauf von Küchenrobotern. Niemand will ihm etwas Schlechtes, somit ist das für Neapel wohl die Idylle schlechthin.

Natürlich wird der Held auf eine Probe gestellt.

Seine Kinder überzeugen ihn beim Casting der italienischen Ausgabe von Big Brother – „Grande Fratello“ – mitzumachen. Mit seiner guten Laune und Offenheit (die dem Castingteam wohl am besten gefällt) schafft er es eine Runde weiter. Schon ist es um ihn geschehen. Als wäre er bereits dabei, feiert er mit Freunden und Familie, plant einen Fanclub und verkauft seinen Fischstand. Den Gedanken nicht genommen zu werden lässt er gar nicht zu. Es ist die Verlockung eines besseren Lebens, die ihn sein Bisheriges klein, unbedeutend und schäbig vorkommen lässt.

Luciano wartet auf den „Final Recall“ und spinnt sich dabei eine Verschwörungstheorie der Fernsehshow zusammen. Natürlich wird er überwacht, natürlich ausspioniert – um ihn zu testen. Ein Bettler wurde gschickt um seine Menschenliebe zu überprüfen, die Grille in der eigenen Wohnung dient natürlich als versteckte Kamera der Überwachung seines täglichen Lebens.
Er verliert den Bezug zur Realität mit dem einen Ziel vor Augen: Er muss Teilnehmer der Show sein, er wird außerdem mit Sicherheit gewinnen und mit Sicherheit berühmt- eine trügerische und selbstzerstörerische Überzeugung.

Was will uns der Regisseur damit sagen?

Matteo Garrone, bekannt durch „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“ aus dem Jahre 2008, nimmt sich auch in „Reality“ vor, die fiktive Handlung so nah am tatsächlichen Geschehen in Italien herankommen zu lassen, dass sie dokumentarischen Charakter annimmt. Hier wird dieses Geschehen aber im Gegensatz zu Gomorrha anhand eines Einzelschicksals deutlich.

Bei „Reality“ schafft Garrone eine Ausgangsbasis die vielversprechend scheint: ein Welt, ein Umfeld, einen Spiegel der Spaßgesellschaft. Er setzt darin einen authentischen Hauptdarsteller in Szene, der das Temperament Süditaliens mit Schwung und Nachdruck auf die Leinwand bringt. Dennoch gibt es einen Schwäche: Die Handlung.

Trotz bester Ausgangssituation trifft der Film keine Aussage zum oberflächlichen Unterhaltungsfernsehen in Italien. „Reality“ schöpft sein Potenzial nicht aus, knapp vor jeder kritischen Bemerkung wechselt die Handlung wieder in seichtere Gewässer.
Warum traut sich Garrone nicht ein Statement abzuliefern? War der Film doch nur als Unterhaltung gedacht? Oder hat ihn vielleicht die Medien Mafia in der Hand?

Die Bewertung der subtext.at-Redaktion:

3/5 Punkte