Nathan Gray & The Iron Roses: Konzert und Weckruf

Nathan Gray & The Iron Roses, ehemaliger Sänger von Boysetsfire, stattete diesen Dienstag dem Posthof Linz einen Besuch ab.Ein künstlerisch ausgezeichnetes, nachdenkliches und spannendes Konzert, das sich neben viel mehr Zuspruch auch ein besseres Publikum verdient hätte.

Über Konzertmanieren

Gleich vorweg, ein Konzert muss keine Schweigezeremonie des Publikums sein. Man darf sich schon mal unterhalten und ja, wenn man den Text kann, freu ich mich über jede/n Besucher:in, die da fleißig mitsingt. Was aber nicht geht: einen Konzertsaal mit dem Stammtisch beim Dorfwirten verwechseln. Einzelne männliche Personen an diesem Abend erkennen diesen Unterschied anscheinend nicht, unterhielten sich während allen drei Acts lautstark über privates, waren oftmals lauter als die Musik. Das ist nicht nur nervig für alle anderen im Saal, die das Konzert genießen wollen, nein, es ist auch massiv respektlos gegenüber den Künstler:innen auf der Bühne. Vor allem bei ruhigen Songs oder wenn sich Nathan Gray die Zeit nimmt, eine ehrliche und ihm wichtige Ansprache, ein ihm am Herz liegendes Thema, in Richtung des Publikums zu richten. Auch sollte man sich überlegen den Saal zu verlassen, wenn man seine motorischen Fähigkeiten nach ein paar Bier nicht mehr unter Kontrolle hat. Auf einmal denkt, man ist im Paulaner Festzelt am Münchner Oktoberfest. Das einem das selbst nicht peinlich ist. Kurz gesagt, so ein Verhalten ist eine Frechheit. Wer diesen Artikel liest und sich angesprochen fühlt, bleibt bitte in Zukunft Konzerten fern oder lernt euch zu benehmen. Das musste einfach gesagt werden.

Ruhiger Start, Wilder Mittelteil

Nun aber zu den Acts. Den Beginn machte mit Joe McMahon der ruhigste Act des Abends. Einfacher aber vor allem stimmlich spannender Singer Songwriter. Einflüsse von sowohl Punk als auch Folk. Nichts Außergewöhnliches aber auch nichts, wo es etwas auszusetzen gäbe, solide, gerne wieder. Die Stimme könnte ich mir auch gut in einem musikalisch härteren Kontext vorstellen.

So richtig ging es dann aber bei Clowns ab. Auch der Saal füllte sich merklich. Schneller, dreckiger, direkter, abwechslungsreicher und musikalisch hervorragender in-die-Fresse-Punk-Rock. Kein Schnörkel, wenig verspieltes, einfach roh und ganz so wie es früher war. Mit welcher Energie vor allem Sänger und Bassistin sich hier auf der Bühne bewegten war großartig anzusehen. Special mention für den Herrn am Keyboard, das richtig im Stehen mit einem Fuß zu spielen, Respekt. Das machte einfach Spaß, Clowns hier zuzuhören und zuzusehen. Das wäre doch was fürs SBÄM Fest oder? Bitte wieder kommen!

Ein Denkwürdiger Headliner

Last but not least dann noch der Headliner des Abends. Nathan Gray, ehemaliger Sänger von Boysetsfire und seit 2015 mit eigenem Projekt aktiv. Aktuell sogar mit Full Band unterwegs, daraus wird dann Nathan Gray & The Iron Roses. Muss ehrlich sagen, nach der Debüt-EP „NTHN Gry“, hab ich ihn aus den Augen verloren, konnte mit seinem Soloprojekt nicht sehr viel anfangen. War wohl noch nicht über den Schmerz des Endes von Boysetsfire hinweg. Hat mich damals auch nicht so wirklich gecatcht. Das dies ein Fehler war hat Nathan Gray mir an diesem Abend bewiesen!

Nicht nur musikalisch unglaublich abwechslungsreich, mal ruhiger, mal schneller. Während man sich bei „As the Waves Crash Down“ an Boysetsfire erinnert fühlt, ist man bei Rebel Songs schon wieder im (Pop) Rock und bei „Still here“ schließt man einfach die Augen und genießt die Ballade. Das Ganze gemischt mit einer einzigartigen Stimme – habe ich diese vermisst – und der Band unglaublich stark. Etwas ganz anderes, etwas gereifteres und weiterentwickeltes im Vergleich zu dieser Debüt-EP. Das ist musikalisch ohne Zweifel sehr gut und daran gibt es nichts auszusetzen. Hier ist natürlich auch Becky Fontaine zu erwähnen, die einen ebenso hervorragenden Job machte.

Stand your Ground!

Musikalisch also ein Traum, bin ich also endlich fertig mit diesem Roman? Nein, leider. Müsst ihr durch, lohnt sich aber, trust me! Zwei Dinge gehören noch erwähnt.

Gut singen und spielen ist die eine Sache, eine Botschaft haben eine andere. Wie bereits öfters in meinen vergangenen Kritiken erwähnt habe ich mein Problem mit Künstler:innen, die einfach nur ihre Songs runterspielen, nichts sagen und wieder gehen. Interaktion ist ein elementarer Teil von Konzerten, sie hebt neben der Show diese von der Platte im Wohnzimmer ab. Man kann dass dann als Musiker:in entweder als lästige Pflichtaufgabe sehen, die Stehsprüche aus dem Wörterbuch abarbeiten. Man kann aber auch eine Botschaft haben und diese Bühne, diese Reichweite, diese starke Position nutzen. Mit Überzeugung und Ehrlichkeit diese den Besucher:innen mitteilen. Wenn schon nicht komplett überzeugen, zumindest einen Denkanstoß geben. Das hat Nathan Gray an diesem Abend auf eine Art und Weise gemacht, die einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat. Das waren keine Standardsätze, sondern ehrlich gemeint. Er nahm sich die Zeit, die es brauchte, die er als richtig erachtete. Wenn das geheißen hat einfach mal fünf Minuten nur zum Publikum zu sprechen, so be it. Das waren wichtige Anliegen wie ein Aufstehen gegen rechts, gegen mittelalterliche Denkmuster in unserer Gesellschaft, gegen Sexismus, gegen Rassismus. Alles unter einer großen Message, der Wandel beginnt bei jedem Einzelnen, seid laut und schweigt nicht wenn Unrecht passiert! Schweigt nicht, wenn am Weihnachtstisch rassistische Witze gemacht werden, stand your ground!

Last but not least eine letzte Anmerkung, anschließend an den vorigen Absatz. Als jemand der selbst Nagellack trägt. Als jemand der selbst der vollen Überzeugung ist, dass wir damit aufhören müssen auf Gewand, Produkte, Farben einen Geschlechterstempel zu geben. Als jemand, der auch High Heels trägt. Als jemand, der nicht mehr ständig erklären will, dass man auch als Mann Nagellack tragen kann, einfach weil es einem gefällt. Als jemand, der einfach will, dass das einfach kommentarlos akzeptiert wird. Als dieser jemand war es für mich persönlich berührend. Nathan Gray steht hier mit Kleid, Nagellack und High Heels voller Selbstvertrauen, voller Überzeugung und voller Stärke auf der Bühne und gibt damit ein ganz wichtiges Zeichen ab. Ein Zeichen für Respekt und das all dies endlich gesellschaftlich akzeptiert und normal sein soll, danke dafür!

Langer Roman, gab aber auch viel zu erzählen. Zusammenfassend, 10 von 10 für diesen Abend! Ein Abend, der sich einen vollen Saal mehr als verdient hätte und mir lange in Erinnerung bleiben wird!

Fotos: Andreas Wörister, Christoph Leeb

Musikliebhaber, Festivalreisender, Konzertsüchtig, Vinylnerd, Photograph, Konzertveranstalter, Linz-Liebhaber