Exit Above bei den Wiener Festwochen
Foto: Anne Van Aerschot

Walk of life: Exit Above (Creation 2023)

Exit Above“ von Anne Teresa De Keersmaeker nimmt sich bei den Wiener Festwochen den Blues zur Brust. Die belgische Choreografin reist bis in die 30er Jahre zurück, um ihr mehrköpfiges Ensemble namens Rosas in einen eklektischen Urtanz in der Wiener Volksoper zu verwickeln.

Foto: Anne Van Aerschot

Einen Dialog zwischen Musik und Bewegung hat De Keersmaeker im Sinn. Der Start beginnt bei ungewohnt grellem Licht. Metaphysisch werden Stürme abgehandelt, die in unserer Welt einen Wandel heraufbeschwören und Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beeinflussen. Solal Mariotte darf als Erster wie ein auf Erden wandelnder Engel herumtoben, tanzen, springen, sich winden und die Spielfläche für sich einnehmen. Als dann eine riesige Plastikplane mittels Windmaschine über seinen Kopf hinweg in Bewegung versetzt wird, ist der erhabenste Moment der Vorstellung bereits vollzogen. Wie eine übergroße Gottheit schwebt sie in der Luft und sorgt für den Aha-Moment des Abends. Dann treten die anderen Mitglieder in Erscheinung und es folgt Stille und Regungslosigkeit, die unbequeme Gefühle auslöst. Die belgische Sängerin Meskerem Mees und Musiker Carlos Garbin aus Brasilien geleiten uns dann weiter als Fixpunkte durch das Programm. Transzendentale Bänder werden mit Hilfe des Blues geknüpft und beiläufig ruhmreiche Dichter wie Shakespeare zitiert.

Foto: Anne Van Aerschot

Wie Reptilien legen die Tänzer und Tänzerinnen im Laufe der Inszenierung ihre Kleidung ab, durchleben verschiedene Phasen, offensichtliche und verborgene, bewegen sich vorwärts, rückwärts oder mit den Füßen stampfend. Von intimer Musik bis zu drückenden Bässen wird auf emotionaler und körperlicher Ebene alles durchgestanden. Die sogenannte „Walking Songs“ sind rhythmisch, meditativ, aber auch aggressiv und sehr energisch. Dies wirft die Frage in den Raum, was unsere Gangart über uns als Menschen aussagt? Geht jeder für sich individuell seines Weges und wo begegnen wir uns? Bewegen wir uns innerhalb unserer Gesellschaft miteinander oder nur mehr nebeneinander? Solche Gedanken gehen einem bei „Exit Above“ durch den Kopf.

Fazit

Bis zum Ende nimmt die Performance zudem fast biblische Züge an. Von Überschwemmungen, Licht, Dunkelheit und Wiedergeburt ist die Rede. Während auf der Bühne die Welt (mal wieder) untergeht, kristallisiert sich heraus, dass unsere Zukunft wohl unsicher und trügerisch bleiben wird. Obwohl diese Schlussfolgerung keine besonders positive ist und die Abfolgen durch die Blues-Historie nicht immer nachvollziehbar sind, wird die Vorstellung vom Publikum sehr positiv mit tosendem Applaus aufgenommen.

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Wiener Festwochen

12. Mai bis 21. Juni 2023

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