Filmstill aus Les Filles d’Olfa
Foto: filmfestivalfreistadt.at

Olfa, ihre Töchter und der Krieg

Familie, die erziehende Rolle eines Elternteils, das Leben unter Schwestern und das Erwachsen werden in einem Land des Umbruchs. Der Film erzählt mit einer ungewöhnlichen Offenheit über das Leben und den Schmerz einer Mutter, die zwei ihrer vier Töchter an den IS verlor.

Zu Beginn sitzt Olfa, die Mutter der Familie, zwischen ihren zwei jüngeren Töchtern. Diese erzählen Geschichten über ihre Schwestern Rahma und Ghofrane. Diese sind vor einigen Jahren von Tunesien nach Libyen gegangen, um sich dem IS anzuschließen. Nun hat Olfa beschlossen, aus ihrer Vergangenheit einen Film entstehen zu lassen. Mit einer oft unerwarteten Ehrlichkeit erzählen die drei von Gewalt, von geschwisterlicher Liebe und jugendlichen Rebellionen. Um all das Passierte bestmöglich wiedergeben zu können, werden manche Szenen mit der Hilfe von Schauspielern nacherzählt.

Mit Mut zu einer neuen und ganz einzigartigen Weise eine Dokumentation aufzubauen, gibt Kaouther Ben Hania Einblick in das Leben vor und nach dem Verschwinden der jungen Frauen. In 110 Minuten lernt das Publikum von Schauspiel, von Familie, von Zwang und dem Ausbrechen. Mit brutaler Offenheit und zutiefst ehrlich werden die Zuseher:innen in eine Welt eingeladen, in welche man nur selten einen Einblick dieser Art bekommt.

Im Farbenspiel der Kleider

Obwohl es im Grunde eine einfache Gegenüberstellung in einer Interviewsituation ist, ist es doch ganz weit entfernt von dem Klischee des Dokumentarfilms. Die klaren Frage-Antwort-Gespräche gehen nahtlos in die inszenierten Szenen mit den Schauspielern über. Durch das Zeigen der Szenen hinter den Kulissen wird dieses Konzept zu einem authentischen und einfühlsamen Zusammenspiel von Reportage und Spiel. 

Die Situationen „hinter der Kamera“ in denen den Schauspieler:innen erklärt wird, wie das Geschehene im wahren Leben stattgefunden hat, welche Emotionen wiedergegeben werden sollten und warum diese wichtig sind, geben dem Film den gewissen Unterton. Das, die spannenden Kompositionen und ein Auge für das Detail machen den Film zu etwas ganz Besonderem. 

Fazit

Ich habe den Saal mit einer Erwartungshaltung betreten, einen Film über den Islamischen Staat zu sehen. Verlassen habe ich das Kino mit meinen Gedanken bei einer Mutter, die mit Sicherheit nicht alles richtig gemacht hat, aber mit dem Herzen an der rechten Stelle versucht hat, das Beste daraus zu machen.


Les Filles d’Olfa

Les Filles d’Olfa

Regie: Kaouther Ben Hania
Kamera: Farouk Laaridh
Frankreich/Tunesien/Deutschland/Südafrika, 2023
110 Minuten


Festival Der neue Heimatfilm

23. – 27. August 2023

www.filmfestivalfreistadt.at

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Festival Der neue Heimatfilm 2023

Kreativ offenes Köpfchen, kaum ohne Kamera und Notizbuch vorzufinden.