Filmstill aus Stille Liv
Foto: filmfestivalfreistadt.at

Stille Liv / The Quiet Migration

Als der koreanische Adoptivsohn Carl nach seiner Internatszeit zurück auf den Bauernhof seiner Eltern kehrt, fühlt er sich mit seiner unbestimmten Zukunft konfrontiert. Es wird zwar nie ausgesprochen, aber die einheimischen Dänen rund um ihn lassen ihn immer wieder spüren, dass er anders ist.

Die Zeit steht still. So scheint es zumindest, auf dem Bauernhof im szenisch ruhigen Dänemark. Doch das Gegenteil ist der Fall. Der adoptierte Carl muss sich seiner Zukunft stellen, als er vom Internat zurückkehrt, denn er soll den Bauernhof seines Ziehvaters übernehmen. Zwischen Partynächten, Traktoren und neugeborenen Kälbern wird Carl hin- und hergeworfen, bis er sein Schicksal selbst in die Hand nehmen muss.

Ein statischer Kredit

Mit analogem Filmlook wird man gleich von Beginn an in eine ruhige Szenerie entladen. Die Kamera verzichtet fast gänzlich auf Bewegung, die Natur bietet die Soundkulisse. Mit wunderbar präzisen Kompositionen wird das Leben von Carl sachte und mit ganz viel Perfektion dargestellt. Das etabliert diesen Film ganz klar im Arthouse, ganz einfach wird er einem die Charaktere nicht machen. Die Dialoge plätschern so dahin, vieles wird gesagt, um nicht wirklich zu reden. Typisch Bauernhof eben. Das macht die porträtierten Personen aber auf eine ganz eigene Art charmant und sympathisch. Als dann noch ein Traktor angeschafft werden soll und über Kredite diskutiert wird (oder diese zumindest erwähnt werden), kommt die Zukunft auf einmal wieder erschreckend nahe.

Subtil und distanziert

Als Hauptcharaktere setzt die koreanische Regisseurin Malene Choi zwei von der Straße gecastete Laienschauspieler ein. Gemeinsam mit bekannten Gesichtern aus Dänemark entsteht dann eine gewisse Diskrepanz, die zwar nur selten stört, aber hin und wieder unausgeschöpftes Potential vermuten lässt. Alles in allem sind die Performances aber mehr als nur gut platziert, besonders wenn es um subtil rassistische Äußerungen von Carls Verwandten geht.

Untermalt werden diese Charakterzeichnungen dann – nur wenn nötig – mit ruhiger Orchestermusik, gemischt mit modern und lokal klingenden Hip-Hop Tracks. Klingt völlig verschroben, zeugt aber nur ein weiteres Mal vom Feingefühl der Regisseurin, da selten etwas fehlplatziert wirkt. So plätschert der Film dann dahin, mal mit etwas Humor, mal mit unausgeprochener Traurigkeit. Mal mit liebenden Figuren, mal mit Gesprächen, wo man nicht weiter aneinander vorbeireden könnte.

Supernatural

Das einzig deplatzierte sind dann ein paar Szenen, die Supernatürliches einführen. Auch das wird subtil behandelt (leider auch etwas zu sehr an den Rand gedrängt, um Relevanz zu gewinnen), jedoch wirkt das etwas zu forciert metaphorisch. Gedanken regt das an, zum restlichen Setting passt es aber leider nicht so ganz. Da hätte man sich doch lieber noch ein paar Antworten auf spannende Fragen überlegen sollen, die leider unbeantwortet bleiben.

Fazit

Stille Liv schafft es besonders mit seinen atemberaubenden Kompositionen, eine einfühlsame Coming-Of-Age Geschichte zu erzählen. Besonders das subtile Gefühl Fehl am Platz zu sein, erreicht trotz langen Einstellungen ohne Probleme sein Publikum. Wer besonders auf Kamera und Kompositionen achtet, wird hiermit mehr als zufriedengestellt. Ein paar Schwachpunkte lassen sich aber dennoch im Schauspiel und unaufgelösten Fragen finden. Vom Kinobesuch soll einem das aber nicht abhalten.


Filmposter Stille Live

Stille Liv

Regie: Malene Choi
Kamera: Louise McLaughlin
Dänemark, 2023
103 Minuten


Festival Der neue Heimatfilm

23. – 27. August 2023

www.filmfestivalfreistadt.at

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Festival Der neue Heimatfilm 2023

Im Zweifel vor dem großen Screen oder hinter der Kamera.