Filmstill aus Leere Netze
Foto: filmfestivalfreistadt.at

Leere Netze: Geld für die Liebe

Amir und Narges könnten nicht verliebter sein. Doch als Amir seinen Job verliert, wird es umso unwahrscheinlicher, dass er vor ihrem Vater um ihre Hand anhalten kann. Er nimmt einen Job als Fischer an, bei dem er sich zunehmend in illegale Machenschaften verstrickt, die ihm seinen Traum der Heirat erfüllen sollen.

Beide sitzen auf einem Moped. Narges hat ihre Arme um ihren Geliebten geschlungen, als sich ihr Treffen dem Ende neigt. Die beiden Verliebten können sich nicht bei ihren Eltern aufhalten, zu groß ist deren Schere von Arm und Reich. So wird eine Baustelle ihr Zufluchtsort, der wohl auch metaphorisch zu deuten ist. Amir ist sich dennoch sicher: Eines Tages wird er genug Geld haben, um vor Narges Familie um ihre Hand anzuhalten. Als er aber plötzlich seinen Job verliert, scheint sein Plan noch hoffnungsloser als zuvor.

Er fragt überall nach einem Job, bekommt jedoch keinen. Erst als er an der Küste seines Heimatstaates Iran ankommt, können Fischer von ihm Gebrauch machen. Amir gibt sich große Mühe und ist determiniert, Geld zu verdienen. Als er bemerkt, dass seine Kollegen nachts illegale Kaviar-Wilderei betreiben, steigt er kurzerhand mit ein. So stellt der Film ständig die Frage, wie weit man für Liebe gehen darf und soll. Wie schnell kann man sich verändern und entfremden und ob man einer Abwärtsspirale aus Kriminalität und Geld überhaupt noch entkommen kann, oder ob man da bereits ins Netz gegangen ist.

Geschichte nach Anleitung

Mit einer einladenden, gefühlvollen Montage macht uns der Regisseur Karamizade gleich am Anfang klar, wer unsere Protagonisten sind. Ein kitschiger Soundtrack wird dahinter gelegt, die Kamera zieht mit und zeigt, wie sich die beiden ihren Weg auf dem Moped durch die Stadt bahnen. Danach etabliert er fast schon methodisch, dass Amir zu arm für die Familie von Narges ist und wo sie und er arbeiten. Amir verliert danach gleich seinen Job, woraufhin ihm seine Mutter nochmal klarmacht, dass Heiraten jetzt keine gute Idee ist. Es ist das erste Drittel des Filmes, das in diesem schnellen Tempo fast schon wie eine Checkliste seine Figuren abarbeitend etabliert, damit die späteren Handlungen auch ja auf einer Motivation beruhen.

Jedenfalls ist Amirs Problem jetzt klar: Er braucht Geld. Was könnte also der Konflikt sein? Genau: Auf eine unmoralische Art und Weise Geld zu verdienen. Genau so spielt sich das gesamte restliche Drehbuch leider ab. Während die Geschichte der armen Fischer im Iran tolle Charaktere zu bieten hat, fällt „Leere Netze“ leider immer wieder in ein Schema F zurück, das den Film generisch wirken lässt. Das soll nicht heißen, dass das Drehbuch schlecht ist. Nein, keineswegs. Es ist gut durchdacht und hochfunktional, bietet jedoch nur kaum etwas außerhalb der klassischen Drei-Akt-Struktur und den typischen Verbotene-Liebe-Erzählsträngen, die man schon tausendmal gesehen hat.

Was ins Netz geht

Filmstill aus Leere Netze
Filmstill aus Leere Netze: filmstarts.de

Das Drehbuch funktioniert also. Ebenso tut das die Musik. Kitschige Streicher fangen an, den Film zu untermalen, ehe die Tonalität immer finstrer wird. Dem gleich tut es die Bildwelt. Mit satten, leuchtenden Farben lockt einen das alltägliche Leben von Narges und Amir an, bevor das Grau des Meeres immer mehr von Amirs Welt zu verschlucken beginnt. Es ist eine fast schon aufdringliche Bedeutung, die Bild und Musik hier rüberbringen möchten. Man kann sich hier wie auch beim Drehbuch die Frage stellen, ob man das kritisieren möchte, da es schließlich funktioniert. Es funktioniert, damit eine Gefühlswelt herzustellen. Es funktioniert, dass man zu Amir hilft.

Schade ist es dann aber trotzdem, wenn ein Film eben nur funktioniert. Denn sobald etwas außerhalb der direkten Welt von Amir existiert, wirkt es sofort weniger überlegt. Figuren fehlt plötzlich die nötige Tiefe und Geschichtsabläufe mangeln an Authentizität. Bild und Ton erzwingen Emotionalität, anstatt dass sie sich durch die Geschichte ergibt. Es gibt das Ende des zweiten und dritten Aktes, das einen durchaus in den Bann ziehen kann (sofern man die VFX ignoriert), jedoch vermisst man dennoch ein voll ausgeschöpftes Potenzial. So hätte man zum Beispiel viel mehr mit der Art der Kameraführung und den Bildkompositionen arbeiten können, bevor man fast alles mit rein logischen Schwenks abbildet.

Mittel als Maß

Das Maß der Dinge ist also Durchschnitt. Ein Durchschnitt, auf den man sich eigentlich gar nicht mit so viel Kritik stürzen möchte. Das Schauspiel bietet Potenzial, die bereits erwähnten Bilder genauso. Soundeffekte sind gut abgemischt und das Produktionsdesign bringt einem die iranische Welt der Fischer selbst in rabenschwarzer Nacht und Unterwasser ein ganzes Stück näher. Und das ist es doch, was Behrooz Karamizade mit diesem Film bewirken wollte, oder nicht? Ein Film, der einen in den wichtigen Momenten trotzdem bewegt, weil er eben funktioniert. Bei dem man mit Spannung erwartet, ob die Polizei Amir schnappen wird, ob er waghalsige Bootsfahrten überleben und am Ende Narges heiraten wird.

Fazit

„Leere Netze“ tut das, was er soll. Er bricht keine Regeln, erfindet das Rad nicht neu, sondern fokussiert sich darauf, was er möchte: Eine einfache Geschichte erzählen. Wer das haben möchte, wird damit durchaus zufrieden sein. Eine völlig neue Welt bleibt einem aber leider verwehrt.


Filmposter Leere Netze

Leere Netze

Regie: Behrooz Karamizade

101 Minuten, DE/IR, 2023
Mit Hamid Reza Abbasi, Sadaf Asgari, Keyvan Mohamadi, u.a.


Festival Der neue Heimatfilm

21. – 25. August 2024

www.filmfestivalfreistadt.at

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Festival der Heimatfilm 2024

Im Zweifel vor dem großen Screen oder hinter der Kamera.