Foto: Diagonale

Wenn du Angst hast nimmst du dein Herz in den Mund und lächelst

Marie Luise Lehners Debütfilm erzählt sensibel vom Aufwachsen in prekären Verhältnissen, von Mut, Angst, Scham und familiärem Zusammenhalt – inklusiv, divers und voller leiser Stärke.

87 Minuten Schönheit. So könnte man das Langspieldebüt von Regisseurin Marie Luise Lehner beschreiben. Selten wird bereits beim Dreh Inklusion und Diversität so konsequent gelebt, und selten sieht man eine so bunte Filmcrew. Vorbildhaft, könnte man meinen.

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In ihrem Debüt erzählt sie die Geschichte der zwölfjährigen Anna (gespielt von Siena Popović), die von der Mittelschule an ein Gymnasium wechselt. Sie und ihre gehörlose Mutter leben in einer kleinen Wohnung in Floridsdorf und kommen gerade so über die Runden. In der neuen Schule wird Anna mit dem reichen Umfeld ihrer Klassenkolleg:innen konfrontiert. Anschluss zu finden in einer Klasse, in der alles nur von Geldadel protzt, ist nicht einfach. Marie Luise Lehner nimmt uns mit auf eine wundervolle Reise, in der wir Anna dabei begleiten, ihre Scham über ihre Herkunft zu überwinden, während wir gleichzeitig die Entwicklung der Beziehung zu ihrer Mutter miterleben.

Wenn der Schikurs nicht leistbar ist

Doch der Film bietet mehr als eine klassische Coming-of-Age-Story. Im Fokus steht die Mutter-Tochter-Beziehung, zwischenmenschliche Nähe und das Lernen von Verständnis für unterschiedliche Lebensentwürfe. Wir tauchen in eine Welt ein, die divers und queer ist – eine Welt, die Hürden überwindet. Als Inspiration für den Film nennt Lehner einen Ö1-Beitrag zum Thema Armut und Schulaktivitäten. In diesem Beitrag ging es darum, dass Eltern ihre Kinder oft krankmelden, wenn sie sich die Kosten für einen Schikurs nicht leisten können – und wie die Kinder mit dieser aufgezwungenen Lüge leben müssen. Im Film wird dieses Beispiel aufgegriffen, und Lehner schafft mehrere solcher Momente – etwa in Form von selbstgebastelten Geschenken.

Lehner wollte mit ihrem Film auch auf das Thema Gehörlosigkeit aufmerksam machen. Vor allem, weil die Gebärdensprache erst seit 2008 als offizielle Sprache anerkannt ist. So ist dies auch der erste Film in Österreich, der mit einer gehörlosen Schauspielerin (Mariya Menner) arbeitet. Die Regisseurin hatte das Ziel, einen Film aus der Innenperspektive einer gesellschaftlichen Klasse zu zeigen. Einen Film, der nicht das Leid betont, sondern Stolz und positive Eigenschaften hervorhebt. Und das ist ihr definitiv gelungen.

Und so viel kann schon verraten werden: Wenn du Angst hast, nimmst du dein Herz in den Mund und lächelst wird auch Teil des Crossing Europe-Festivals sein.


Wenn du Angst hast nimmst du dein Herz in den Mund und lächelst

Regie: Marie Luise Lehner

87 min, Omd/eU (CC) + VI
Mit Siena Popović, Mariya Menner, Jessica Paar

Mehr Informationen findest du hier.


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