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Filmstill: Sandbag dam

Der wilde Hase und die Freiheit

Wenn man einen wilden Hasen fängt und ihn einsperrt, wird er versuchen zu fliehen. Er wird so lange gegen die Gitter laufen, bis er sich seine Wirbelsäule bricht. Darum steht der wilde Hase für die Freiheit. Die Hasen ziehen sich als roter Faden durch die stille Geschichte von Sandbag dam.

Aufgeweckt, sportlich und scheinbar „ganz normal“ lebt Marko im Kreis seiner Familie, Freunden und Freundin in einem kleinen Dorf am Flussufer. Doch als Slaven zur Beerdigung seines Vaters aus Berlin zurückkehrt, brechen alte Gefühle wieder auf. Zwischen Wut, Angst und verletzten Emotionen wird ein lange gehütetes Geheimnis offenbar. Begleitet von den Ankündigungen einer drohenden Überschwemmung und den Geschichten eines wilden Hasen entfaltet sich eine leise, aber aufwühlende Liebesgeschichte.

Liebe dringt ein wie Wasser

Was zunächst wie ein vertrautes Schwulendrama klingt – zwei Jungs verlieben sich in einem konservativen Dorf und stoßen auf Ablehnung – gewinnt durch seine filmische Gestaltung ungeahnte Tiefe. Die ungewöhnliche Ruhe des Films schafft eine intensive Intimität zwischen Publikum und Protagonisten. Viele Close-ups und der Fokus auf feine Mimik bringen das Publikum auf eine tiefe emotionale Eben. Man erlebt Schmerz, Sehnsucht und Liebe so unmittelbar, dass jedes Wort unter die Haut geht.

Vollgepackt mit Metaphern und Symbolik hat Čejen Černić Čanak damit nach über zwei Jahrzehnten den zweiten queeren Film Kroatiens ins Kino gebracht. Nachdem 2002 Fine mrtve djevojke / Fine Dead Girls von Dalibor Matanić erstmals lesbische Liebe auf die kroatische Leinwand gebracht hatte, beendet Zečji nasip / Sandbag Dam eine lange Pause im queeren nationalen Kino.

Stille Wasser sind tief

Tomislav Zajec hatte zunächst große Schwierigkeiten, Regisseur*innen für sein Drehbuch zu finden – selbst Čejen Černić Čanak war anfangs skeptisch. Umso mehr berührte sie der Text beim ersten Lesen. Bei der Premiere begrüßte sie das Publikum mit herzlicher Offenheit und bat die erste Reihe scherzhaft, sich weiter nach hinten zu setzen – denn die vielen Close-ups und handgefilmten Szenen verlangten ein wenig Abstand zur Leinwand. Čejen Černić Čanak ist bekannt für ihre einfühlsamen Filme über Jugend und gesellschaftliche Themen. Nach ihrem Abschluss in Film- und Fernsehregie an der Akademie der dramatischen Künste in Zagreb arbeitete sie an Kurz-, Dokumentar- und Animationsfilmen. Ihr Langfilmdebüt Uzbuna na Zelenom Vrhu/Das Geheimnis des grünen Hügels (2017) wurde beim Pula Film Festival mit dem Breza-Preis als bestes Debüt ausgezeichnet und war der meistgesehene Kinderfilm Kroatiens im selben Jahr. Ihr zweiter Spielfilm Sandbag Dam (2025) feierte Premiere auf der Berlinale in der Sektion Generation 14plus und wurde für den Teddy Award nominiert.

Fazit

Langsam und mit wenig Worten erzählt dieser Film eine im kroatischen Kino schon lange notwendige Geschichte. Emotionen von der Leinwand in die Herzen zu bringen, gelingt nicht jedem Filmschaffenden. Manche drücken zu sehr auf die Tränendrüse und andere wiederum schaffen gar keine Verbindung zum Publikum. Dazu gehört Čejen Černić Čanak definitiv nicht. Sehr berührend und zeitlos zeigt sie den ewig erscheinenden Kampf für gleiches Recht auf Liebe.


Sandbag Dam

ZEČJI NASIP / Sandbag Dam

Regie: Čejen Černić Čanak

Kroatien / Litauen / Slowenien 2025
88 Minuten, Kroatisch, OmeU / OmdU

Mit Lav Novosel, Andrija Žunac, Leon Grgić, Franka Mikolaci, Tanja Smoje, Alma Prica


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filmfestival linz
29 april – 04 mai 2025
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Für den Kopf im Labor, für die Seele am Schreiben. Wenn ich über ein gutes Buch rede, einfach unterbrechen. Das könnte sonst lang dauern.