Kino-Knigge – braucht man das?
Der Vorteil, einen Film im Kino zu sehen, ist vielfältig: Große Leinwand, guter Sound und eine ruhige, ablenkungsfreie Atmosphäre – denkt man. Das funktioniert aber nur, wenn sich alle anderen im Saal ebenfalls benehmen können. Darum sind Verhaltensregeln wichtig.
Wer oft Filmfestivals besucht oder regelmäßig in Programmkinos geht, ist ohnehin schon sehr verwöhnt. Das Publikum dort ist viel rücksichtsvoller als in den großen Multiplex-Palästen. Man sieht kaum Handys (und wenn, dann nur kurz, um auf die Uhr zu sehen, ob sich der nächste Film noch ausgeht), hört keine Gespräche, es gibt kein Popcorn und kein lautes Geraschel. Zumindest meistens.
Wie schnell in so einer ruhigen Kulisse schon die kleinsten Störungen auffallen können, merkt man dann, wenn sich ein einziger Gast nicht an die ungeschriebenen Verhaltensregeln hält. Es hängt natürlich auch vom Film ab, ob Nebengeräusche überhaupt wahrgenommen werden – ein weiterer Unterschied zwischen Autorenkino und Mainstreamproduktionen aus Hollywood.
Licht aus!
Dass grell leuchtende Handydisplays extrem störend sein können, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Zwar sind Hinweise wie „Handys aus“ oder „Bitte kein Licht während der Vorstellung“ in allen Kinos längst Standard, werden aber dennoch oft ignoriert. Wer einmal ein Multiplex-Kino besucht, merkt schnell, dass außerhalb der Kulturbubble solche Verhaltensregeln eher ignoriert werden. Ein neueres Problem sind Smartwatches, die bei jeder Handbewegung oder Benachrichtigung aufleuchten, wenn sie nicht bewusst deaktiviert werden. Auch daran sollte man beim Kinobesuch denken.
Stillsitzen!
Dass Kinofilme in den letzten Jahren immer länger werden, gehört zwar eher zu den gefühlten Wahrheiten (darüber hat Marian Wilhelm auf derstandard.at geschrieben: Sitzfleisch für die Schinken – warum Filme immer länger werden), doch stillsitzen fällt vielen zunehmend schwer.
Sich ohne Ablenkung über 120 Minuten auf die Leinwand zu konzentrieren, lässt manche nervös im Sitz umherrutschen. Da können die neuen Kinosessel noch so bequem sein – irgendwann möchte man die Beine mal ausstrecken. Das führt jedoch oft dazu, dass unbedachte Bewegungen die Vordermänner und -frauen stören. Denn Kinosessel sind nicht starr und robust wie in alten Zeiten: Wer beim Umsetzen gegen die Lehne stößt, wackelt schnell die gesamte Vorderreihe durch.
Mund zu!
Den Film mitzukommentieren, jede Szene mit der Begleitung zu diskutieren oder überhaupt Smalltalk zu führen, stört die anderen Gäste enorm. Natürlich muss man nicht komplett mucksmäuschenstill sein – Lachen, Weinen oder aufschreckendes Erschrecken gehören zu gutem Kino dazu. Aber auch hier gilt besonders: Read the Room!
Manche Kinos haben aus gutem Grund „laute“ Snacks bereits verbannt. Raschelnde Verpackungen und knusprige Kaugeräusche können enorm störend wirken. Ebenso gehören würzige Dips und Soßen, die auf den Sitzen oder am Boden landen könnten, eher zum Filmabend zuhause – nicht ins Kino. Auch intensive Essensgerüche sind eine unnötige Ablenkung.
Nicht zu spät kommen!
Pünktlichkeit ist im Kino besonders wichtig. Wer während des Vorspanns oder gar mitten im Film hereinschleicht, reißt die Aufmerksamkeit aller anderen Zuschauer:innen aus der Geschichte. Selbst wenn es unvermeidbar ist – etwa weil man lange in der Schlange stand – sollte man Rücksicht walten lassen: Schnell, leise und mit möglichst wenig Geraschel die Plätze einnehmen. Dasselbe gilt für Toilettengänge. Im Idealfall wird darauf geachtet, den Saal möglichst unauffällig zu verlassen und nicht mitten durch volle Reihen zu steigen.
Applaus
Eine Eigenheit von Filmfestivals ist es, nach dem Film zu applaudieren. Das kann neue Besucher:innen durchaus irritieren. Sobald der Abspann läuft, oder danach, oder zweimal – da gibt es keine Vorgaben. Applaudiert wird aus Respekt vor dem Film, und vor allem, weil oft Filmgäste anwesend sind, die nach der Vorführung für ein Q&A zur Verfügung stehen. Wer Interesse hat, kann noch Fragen stellen oder dem Interview lauschen. Wer aufs Klo oder zum nächsten Film muss, verlässt leise den Saal.
Auch abseits der Filmfestivals ist es in Programmkinos üblich, den Abspann komplett anzusehen. Das Saallicht geht erst danach an. Hier merkt man wieder den großen Unterschied zum Mainstream-Kino, wo abgesehen bei Marvel-Filmen das Publikum sofort aufspringt und mit viel Lärm den Saal verlassen, während in den Sitzreihen alles Mögliche liegen bleibt.
Respekt auch nach dem Film
Genauso wie während des Films zählt auch danach der respektvolle Umgang. Leere Getränkebecher, Popcornsackerl oder Verpackungen einfach am Platz liegenzulassen, ist nicht nur unhöflich, sondern auch respektlos gegenüber dem Kinopersonal.
Gerade kleinere Programmkinos kämpfen ohnehin oft mit begrenzten Ressourcen – da ist es ein Gebot der Höflichkeit, seinen Müll einfach mitzunehmen oder ordentlich zu entsorgen. Dazu passt auch, dass sich Crossing Europe selbst einen Code of Conduct mit Verhaltensregeln und einer Art Teilnahmebedingung fürs Festival verpasst hat, er auf einige Aspekte nochmal extra hinweist. Von Diskriminierung, Belästigung und Gewalt bis zu Mülltrennung ist alles abgedeckt. Hier nachlesen: crossingeurope.at/coc
Film genießen!
Bei Filmfestivals wie Crossing Europe sind wir wirklich verwöhnt. Das Publikum kommt bewusst zusammen, um bis zu fünf Filme pro Tag zu sehen – entsprechend achtsam und respektvoll ist der Umgang miteinander. Das zeigt: Rücksichtnahme und Aufmerksamkeit sind keine Zumutung, sondern der Schlüssel zu einem gemeinschaftlichen Kinoerlebnis, das für alle zum Genuss wird.
filmfestival linz
29 april – 04 mai 2025
www.crossingeurope.at
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