Festival der Regionen 2025 in Braunau
Foto: a_kep

Festival der Regionen 2025 – Achtung Kunst in Braunau

„Realistische Träume“ bringt das Festival der Regionen nach Braunau. Kunst im Stadtraum, Diskurs zu Macht, Identität und Geschichte – vom Hühnersuppen-Kollektiv über Poetry-Slams bis zu feministischer Stickkunst. Ein Fest voller Austausch, Kritik und kreativer Impulse.

Realistische Träume ist das Motto des heurigen Festivals der Regionen, welches nach dem Mühlviertel wieder im Innviertel stattfindet. Genauer gesagt in Braunau. Eine Stadt, wo man als Linzerin kaum Bezugspunkte hat, mit Ausnahme des Hauses in der Salzburger Straße 15. Ein selbst ernanntes Gedankenexperiment mit der Frage „Welche nicht traditionelle Kultur verknüpfe ich mit dem Ort?“ kam rasch ohne Erfolg zu einem Ende. Was wiederum die perfekte Ausgangslage für ein Festival der Regionen ist. Das Festival hat zum Ziel, außerhalb der Ballungsräume und kulturellen Zentren nachhaltige Kunst zu schaffen.

Bevor wir überhaupt in den Kern der Stadt gelangten, stolperten wir schon über das erste Kunstwerk: Eintritt Erlaubt von Cana Bilir-Meier, Silvia Troian, Chana Boekle. Neun Schilder in Form von Verkehrstafeln markieren alltägliche Diskriminierung: Rassismus, Klassismus, Polizeigewalt. J weiter wir Richtung Festivalzentrum kamen, umso mehr Kunst kreuzte unseren Weg. Unter anderem auch die Ausstellung von Michèle Pagel. Diese nennt er Opfer von Polizeigewalt: Ich kann’s werden! und beschäftigt sich satirisch mit dem Thema Machtmissbrauch.

Kein Festival ohne Festivalzentrum

Hier lädt das Festival zum täglichen Mittagstisch, bietet einen Raum zum Kontakteknüpfen und zum Führen von Diskussionen. Rund um dieses Festivalzentrum ist auch das Programm aufgebaut und meistens fußläufig erreichbar. Hier starteten viele Touren. Im Dialekt würde man sagen: „Da duat si immer wos!“ Gestaltet wurde dieser Raum so wie die Infotrafik von Studierenden der Klasse für Bildhauerei und transmedialer Raum der Kunstuniversität Linz.

Kunst und Kultur sollen aktiv erlebt werden können, dafür ist ein Austausch notwendig. Dieser hat oft schon lange vor der Festivaleröffnung stattgefunden und geht im besten Fall auch weit über das Festival-Closing hinaus.

Realistische Träume

Blättert man eifrig durch das Festivalprogramm, so stößt man unweigerlich auch auf das Thema Huhn. Generell spielt das Huhn im Innviertel eine wichtige Rolle, ob in der Landwirtschaft oder am Mittagstisch. So finden sich einer der wichtigsten Hühnerbetriebe in dieser Region. So ist es nicht verwunderlich, dass dieses Thema auch beim Festival aufgegriffen wurde. Zum einen im Projekt FREI.LAND von Hanna Kirmann. Hier bekam der auf der Innbrücke thronende Gockel Walter Gesellschaft in Form von 50 bratfertigen Hühnern. Einen Schritt weiter sind Franziska Schink, Larry Meyer, Mina Darvish und Benedikt Simetsberger. Dieses Künstlerkollektiv lud gemeinsam mit regionalen Gästen zum Landschaft kochen ein. Täglich wurde eine frische Hühnersuppe zubereitet. Dabei wurde geplaudert, gelesen, gesungen oder schweigend dahingekocht.

Ein weiterer Schwerpunkt, welcher sich aus dem Programm herauslesen lässt, ist die Liebe zu der Kunstform des Poetry-Slams. Hier wurde bereits vor dem Festivalstart mit regionalen Mittelschulen in Form von verschiedenen Workshops mit den Schüler*innen an Poetry-Slams gearbeitet, welche dann live performt und auch in einem FANzine abgedruckt wurden. Neben diesem Projekt gab es auch noch weitere Performances rund um das Thema Poetry-Slam. Unter anderem auch ein Text- und Musik-Workshop mit Yasmo und der Klangkantine.

Neben den Henderln prägt auch der Frühschoppen die Innviertler Zusammenseinskultur. Dieses Phänomen haben das Künstler*innenkollektiv gula gula (Alex de las Heras und Paul Peters) aufgenommen und das Projekt Exotische Provinz Frühschoppen ins Leben gerufen. Wir bekamen einen kurzen Einblick beim Workshop They see me rollin‘, They Dreamin‘, wo fürs Frühschoppen vegane Knödel vorbereitet wurden.

Labor der Träume

In der Stadt verteilt findet man immer wieder Hinweise, hinter dieser sich Kunst versteckt. Eines dieser Projekte ist Platz für Kultur, welches von der ortsansässigen Theatergruppe Bauhoftheater Braunau am Inn kuratiert und begleitet wird. Hierzu wurde ein temporärer Raum vor der Lokalität der Theatergruppe geschaffen. Dieser lädt durch seine Begrünung nicht nur zum Verweilen ein, sondern das Gewächshaus in Form einer Pyramide lässt Platz für Wünsche. Hier haben junge Pflänzchen, bereitgestellt von der Braunauer Bevölkerung und ausgestattet mit individuellen Visionen, Platz zu gedeihen.

Die Braunauer Stadtnäherin ist bereit, ein Stück Geschichte zu schaffen. Lydia Waldhör verarbeitete mitgebrachte Textilien zu einem großen Patchwork-Kunstwerk. Bewohner*innen hatten die Chance, sich mit einem Stück Stoff für immer zu verewigen. Nicht nur Stoffe wurden ausgetauscht, sondern auch Geschichten. Eine weitere textile Auseinandersetzung mit der Geschichte in der Region war das Projekt Ein Fingerhut voller Utopien. In Kooperation mit den Goldhauben verwandelten Rosanna Graf und Lisa Klosterkötter den Kunstraum Valentinum in eine partizipative Stickausstellung. Die beiden Künstler*innen schlagen eine Brücke zwischen traditionellem Handwerk und modernen textilen Installationen. Der Raum selbst lädt zum Austausch von Stickwissen wie auch zum Lauschen von Geschichten der Goldhauben ein.

Das Projekt Stern*INNen von Adriana Torres Topaga, Martyna Lorenc, Fatima El Kosht und Luis Gonzaga Hoyos sorgte mitunter für viel Aufregung. Hierzu fand bereits im April ein Workshop statt. Interessierte Braunauer*innen konnten gemeinsam mit dem Kollektiv neue Geister für die Stadt schaffen und diese wurden in all ihren Formen am Donnerstag auf die Stadt losgelassen.

Gedächtnislücken

Mit Unterstützung vom Haus der Geschichte und dem Zukunftsfonds der Republik Österreich wurde im Bezirksmuseum Herzogsburg eine etwas andere Ausstellung in die bereits bestehende integriert. Das Projekt Marmorplatte & Scheibe mit Ente beschäftigt sich mit Dingen aus dem Haus in der Salzburger Straße 15. Dieses Haus in Braunau ist auch als das Geburtshaus von Hitler bekannt. Neben diesem geschichtlichen Fakt hat das Haus im Laufe der Geschichte noch weitere Dinge erlebt. 18 gewöhnlich Exponate aus dem Alltag sollen auf die vielfältige Nutzung des Hauses hinweisen. Diese Exponate stehen in einem harten Kontrast zu den faschistischen Werten und eröffnen einen Diskurs über die Neutralisation von Gebäuden. Direkt beim Haus selbst gab es noch eine weitere Soundinstallation von Seth Weiner unter dem Namen The Hit House.

Eine sehr beeindruckende Ausstellung im Festivalsetting ist jene von Franz Kapfer. Während der Corona-Jahre hat er systematisch das Propagandamaterial der Wiener Anti-Corona-Proteste gesammelt. Begonnen mit Stickern und Flyern bis hin zu großen Bannern. Dokumente einer Protestbewegung, die verschwörungsideologisch aufgeladen war, rechte Narrative übernahm und historische Grenzen überschritt. Als selbsternannter Archivar bewertet und kontextualisiert Kapfer dieses Material in Form seiner Ausstellung Ich bin mein Gefangener.

Fazit

Nach einigen Jahren, wo sich das Festival vorwiegend auf eine größere Region ausgebreitet hatte und die Projekte teilweise nur schwer zu erreichen waren, wurde mit Braunau wieder ein Schritt in Richtung Zentralisierung gemacht, denn wir mit offenen Armen begrüßen. Aus unserer Sicht macht es mehr Spaß, wenn man sich nur der Auseinandersetzung mit der Kunst und Kultur beschäftigen kann und nicht noch zusätzlich enorme logistische Herausforderungen meistern darf. Wir hatten einen wunderschönen Tag in Braunau und haben viel erlebt und gesehen und fahren mit einem Kopf voller neuer Inspirationen wieder nach Linz.

Fotos: a_kep

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