THORSTEINN EINARSSON: „Ich gehe gerne Risiken ein“

Wenn man den Forschern glauben darf, wird man glücklicher, wenn man ein Wagnis eingeht. Für den isländischen Künstler Thorsteinn Einarsson, der seit geraumer Zeit in Wien lebt, dürfte es einer Mutprobe gleichgekommen sein, sich nach den Single-Erfolgen „Leya“ und „Aurora“ vergleichsweise viel Zeit für das Debütalbum zu lassen. Gut Ding will Weile haben, wie der Folksmund sagt, und „1“ ist nun endlich da.

Das Album ist reif, schmeckt leicht und vollmundig, aber nicht zu schwer. Ein Händchen für eingängiges Songwriting ist dem 20-Jährigen scheinbar schon früh in die Wiege gelegt worden. Ein Interview mit Thorsteinn Einarsson über Risikobereitschaft, leidenschaftliche Rezepte und ob Politik in der Popkultur etwas verloren hat oder nicht.

Credit Andreas Jakwerth subtext.at: Thorsteinn, wer gerne Risiken eingeht, ist mit seinem Leben zufriedener, sagt die Wissenschaft. Wie zufrieden bist du mit deinem Debütalbum, welches letzte Woche erschienen ist?
Thorsteinn Einarsson: Ich bin 100% zufrieden. Ich würde jetzt nichts ändern, denn ich bin absolut zufrieden damit. Normalerweise sage ich das sehr selten über Dinge, aber ich bin extrem stolz auf das Album. Ich habe so viel Arbeit hineingesteckt, das Songwriting allein hat ewig gedauert.

subtext.at: Weshalb hat das Songwriting denn ewig gedauert?
Thorsteinn Einarsson: Ich musste erst mal als Person und als Mensch ein bisschen wachsen. Nur weil man mit 18 Jahren „Leya“ geschrieben hat, heißt das noch lange nicht, dass jeder neue Song gleich gut ist. Ich habe mich entwickeln müssen, um mehrere solche Songs in der Qualität schreiben zu können. Mit Lukas Hildebrand habe ich zusammen getextet. Ich habe sehr viel gelernt, jeden Tag geschrieben, beim Produzieren mitgeschaut. Man kann nicht erwarten, dass ein 18-Jähriger gleich ein ganzes Album schreibt. Da muss man schon ein bisschen die Branche besser kennenlernen.

subtext.at: Ein guter Songwriter muss demnach sein Handwerk erlernen?
Thorsteinn Einarsson: Genau.

subtext.at: Und Talent?
Thorsteinn Einarsson: Talent ist auch extrem wichtig, wobei das nur 10% sind. Du musst das Handwerk trotzdem erlernen – wie was funktioniert, warum mache ich was?

subtext.at: Der Begriff Risiko stammt aus dem Altpersischen und bedeutet sinngemäß “eine gefährliche Klippe umschiffen”. Welche Barrieren und Hindernisse gab es bei der Entstehung von „1“?
Thorsteinn Einarsson: Whoa, viele. Dreimal haben wir die Deadline übertroffen (lächelt). Es war aber nie etwas Schlimmes. Auf ein Debütalbum wartet keiner, deswegen wollte ich mir mehr Zeit lassen. Wenn wir eh schon ein halbes Jahr nach „Leya“ dran sind, dann ist es wurscht, ob wir es jetzt bringen oder in einem halben Jahr. Warten wir lieber, bis wir eine coole Single haben, machen wir ein Video und dann schießen wir alles raus, was wir haben. Alles nacheinander. Das ist jetzt der Plan.

subtext.at: Bist du generell ein Mensch, der Wagnisse nicht scheut?
Thorsteinn Einarsson: Ich gehe gerne Risiken ein. (überlegt kurz) Nach Österreich zu ziehen zum Beispiel. Ich liebe es, mich mit neuen Sachen zu umgeben. Das inspiriert mich als Künstler einfach. Ich möchte nicht in eine Routine verfallen.

subtext.at: Die Forscher sagen auch, dass es ist ein Zeichen von Klugheit ist, langfristige Interessen über kurzfristige Impulse zu stellen. Du hast dir für dein Debüt länger Zeit gelassen als es vielleicht üblich ist.
Thorsteinn Einarsson: Es kommt auch auf den Song an. Sachen wie „Leya“ oder „Kryptonite“, die waren einfach da (schnippt mit dem Finger). Ich hatte die Chords, es ist einfach gekommen. Das sind Melodien, da denke ich mir nicht, dass ich sie noch besser machen muss. Impulsiv schießen die in meinen Kopf. Das Talent und das Glück habe ich, dass ich Ohrwürmer schreiben kann.

subtext.at: Du bist also ein impulsiver Songwriter.
Thorsteinn Einarsson: Ja.

subtext.at: Wenn es aber um Businessentscheidungen geht, drehst du den Spieß um.
Thorsteinn Einarsson: Genau, langfristig denken. Manchmal muss man darüber büffeln. Sobald du diese Topline hast, dieses Etwas, diesen Chord-Change, dann ist alles offen. Das ist ein geiles Gefühl. Ich liebe es, live zu spielen, ich liebe es, in den Charts zu sein und ich liebe es, wenn ich den Schlüssel zu einem Song habe. Du erreichst dann ein neues Level.

Cover

subtex.at: Herausgekommen ist mit „1“ kein buntes Potpourri, sondern ein homogenes Pop-Album. Man findet leicht hinein…
Thorsteinn Einarsson: „Worth The Risk“ habe ich gleich an den Anfang gestellt, weil es eine gute erste Nummer ist. „I’m worth the risk“, ein super Statement. Auf dem Album hörst du als allererstes eine Snare und du bist sofort drin. „Never Let You Down“, der letzte Titel, ist dann wie „Worth The Risk“, denn ich hoffe, dass ich dich nicht enttäuscht habe zum Schluss (lächelt).

subtext.at: Du hast dir scheinbar viele Gedanken gemacht, welcher Song wo hinkommt.
Thorsteinn Einarsson: Extrem viele. Eigentlich sollte ich es nicht sagen, aber ich habe mich von „Thriller“ von Michael Jackson inspirieren lassen, was die Reihenfolge der Songs angeht. So habe ich mein Album aufgebaut, nach dem gleichen Bogen. „Thriller“ ist für mich das größte Pop-Album aller Zeiten.

subtext.at: Da kann ja eigentlich nichts mehr schief gehen.
Thorsteinn Einarsson: Meine ich ja (lacht)! Ein Malen nach Zahlen.

subtext.at: Manche Menschen schieben Aufgaben gerne auf. Gehörst du zu diesen Leuten, erledigst du Dinge gleich oder zu einem späteren Zeitpunkt?
Thorstein Einarsson: Ich tue es später (seufzt). Es gibt immer so viel, was ich noch machen muss, was nervig ist.

subtext.at: Ich habe mir gedacht, dass es vielleicht großen Druck nach „Leya“ gab, an den Erfolg anknüpfen zu müssen. Deswegen erscheint dein Album erst jetzt.
Thorsteinn Einarsson: Das stimmt, weil ich nicht bereit und reif war. Ich hätte ein Album verkauft, weil eine Single erfolgreich ist. Ich möchte aber ein Album machen, was insgesamt so gut ist wie „Leya“. Ich denke, dass ich die Leute nicht enttäuscht habe, denn die Reaktionen waren bislang fantastisch. Ich spüre das auch. Wenn ich die Fans auf Facebook frage, was ist eure Lieblingsnummer, sagen alle etwas anderes. Das ist ein super Zeichen. Genau so wollte ich es haben.

Credit Andreas Jakwerth

subtext.at: Menschen haben ziemlich konkrete Vorstellungen davon, was man im Leben zum Glücklichsein braucht. Ein glückliches Leben sei zu einem bedeutenden Teil eine Frage glücklicher Fügungen oder Schicksal?
Thorsteinn Einarsson: Zufall, Schicksal, ist für mich fast dasselbe… (überlegt) Das Album jetzt herausbringen zu können, ist für mich reines Schicksal. Und Glück. Ich glaube, ich habe es verdient, weil ich extrem hart dafür gearbeitet habe. Mit 8 Jahren habe ich angefangen, Songs zu schreiben. Seitdem gebe ich nur noch Vollgas. Das will ich machen. Ich habe gewusst, ich bin kein Fußballer (lacht).

subtext.at: Du bist eh gut dabei. Prince hat zum Beispiel mit 18 Jahren einen Plattenvertrag bekommen.
Thorsteinn Einarsson: Yeah! Ich will jetzt nur nicht wie Prince enden (lächelt). Zehn Minuten vor unserem Konzert habe ich herausgefunden, dass er gestorben ist. Es ist auch ein Horror, wenn du dein Debütalbum als Künstler herausbringst und es stirbt ein großer Künstler. Horror – weil, schau dir dir Charts an. Der Horror für einen neuen Künstler (lacht)!

subtext.at: Denkst du, dass man mit Kritik nicht gespart hätte, wenn dein Album viel eher erschienen wäre?
Thorsteinn Einarsson: Das ist ja keine Entschuldigung, denn ein 18-Jähriger muss bereit sein zu sagen, wenn er nicht bereit ist. Ein schlechtes Album hätte ich ganz und gar nicht herausgebracht, aber es wäre einfach nicht wie „1“ gewesen. Es ist jetzt nicht Kindergartenmusik, sondern musikalisch wertvoll. Es ist komplexer als „Work, work, work, work, work“.

subtext.at: Auf den Bildern zum Album bist du mit Gebirgen und Gletschern zu sehen. Das Gebirge ist ein Ort für Menschen, die den Blick gerne nach innen richten. Es heißt, introvertierte Leute lieben die Berge, extravertierte hingegen mögen die Ebene und das Meer. Wie schätzt du dich ein?
Thorsteinn Einarsson: Ich bin total extrovertiert. Ich mag aber trotzdem den Winter mehr als den Sommer.

subtext.at: Zwischen Selbsteinschätzung und tatsächlichem Verhalten klafft manchmal eine Lücke. Wer hilft dir dabei, wenn du mal nicht weiter weißt oder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden musst?
Thorsteinn Einarsson: Freunde, Familie, mein Produzent, der für mich wie ein Mentor ist. Die sind mir alle sehr wichtig. Ich habe gute Leute um mich herum.

subtext.at: Wie muss Musik allgemein beschaffen sein, damit sie dich anspricht?
Thorsteinn Einarsson: Ich höre eigentlich zuerst auf die Melodie. „Faded“ von Alan Walker habe ich neulich gehört. Das Klavier, da habe ich gewusst, es ist dieser Nummer 1-Hit eines Norwegers. Boah, wie schön die ist, wie die Melodie über die Chords gleitet! Die Produktion ist auch wichtig. „Sorry“ von Justin Bieber klingt einfach extrem gut vom Sound her, Skrillex und Diplo geben da einfach alles. Es ist einfach ein Faktor von mehreren Sachen. Ich habe vor einem Monat gecheckt, um was es in „A Team“ von Ed Sheeran geht. Ich dachte immer, es ist ein scheiß Song, ich habe ihn gehasst. Dann habe ich den Text gesehen, in dem es auch um ein drogenabhängiges Mädchen in einer Großstadt geht – wie in „Leya“. Fuck, dachte ich. Wirklich geil.

subtext.at: Manchmal entdeckt man etwas erst auf auf den zweiten Blick. Was lässt sich auf deinem Album auf den zweiten Blick erkennen?
Thorsteinn Einarsson: Bei „Mercury May“ gibt es zwölfspurige Harmoniegitarren von Brian May, die sind ganz hinten reingequetscht. Hat mein Papa eingespielt.

subtext.at: Du bist gelernter Koch. Welche Gerichte passen zu einer leidenschaftlichen Stimmung?
Thorsteinn Einarsson: (überlegt lange) Beef Tartar, Carpaccio… Ich bin ein Fan von rohem Fleisch.

subtext.at: Die Bereitschaft, ein offenes politisches Wort zu äußern oder gegen Missstände in der Gesellschaft verbal einzutreten, birgt auch Risiken, um das Thema abzuschließen. Man kann Achtung von manchen und Ächtung von anderen Gruppen erfahren. Möchtest du aktuell etwas zur Bundespräsidentenwahl sagen?
Thorsteinn Einarsson: Nein, denn ich bin Künstler, kein Politiker. Wenn ein 20-Jähriger etwas über Politik sagt, kommt das einfach blöd rüber. Das trenne ich und da möchte ich mich auch nicht einmischen.

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Foto: Andreas Jakwerth

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