Tantalum Memorial – der afrikanische Weltkrieg und unsere Handys

 

Seit elf Jahren herrscht Krieg im Kongo. Es sterben täglich Menschen an den kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen der Demokratischen Republik und den Nachbarländern Ruanda und Uganda. Wir wissen nicht viel von einem Welt(wirtschafts-)krieg, der gerade irgendwo in Afrika tobt.Bis vierten Oktober ratterte im OK, dem offenen Kulturhaus Oberösterreichs, im Zuge der Cyberarts Ausstellung eine Kiste. Eine große Kiste. Bei genauerer Betrachtung sieht man, was die Kiste tut: Sie schaltet, wählt, imitiert einen Anruf und beendet ihn wieder. Dann beginnt sie von vorne. Das Ding hat einen Telefonhörer. Wenn man ihn abhebt hört man ein Gespräch, eine Art Erzählung am anderen Ende der Leitung. Leider handelt es sich dabei um irgendeine unbekannte Sprache. Es hört sich afrikanisch an.Wundert man sich nun, was dieses Konstrukt darstellen soll, ist einem mit der vom OK zur Verfügung gestellten Beschreibung geholfen: „Tantalum Memorial“ (link). Tantal ist ein Metall, welches im Roherz Coltan zu finden ist, steht da weiter. Die Beschreibung löst außerdem das Rätsel um die Kiste: Es handelt sich um einen uralten Telefonschalter aus dem 19. Jahrhundert. „Strowger“ heißt er, und wurde in Südtirol verwendet. Urheber des „Denkmals“ ist die britisch-japanische Gruppe Mediashed aus Ostengland.

Was haben nun also ein Telefonschalter, Roherz und Afrika miteinander zu tun?
Die Erklärung findet man leicht in der demokratischen Republik Kongo, Zentralafrika. Dort könnten einem alle erzählen, was es mit dem Roherz auf sich hat. Wer um die Jahre 1998 bis 2001 aufmerksam die Nachrichten verfolgt hat, könnte das sicher auch.

1998 begann im Kongo der zweite kongolesische Bürgerkrieg. Er wird als „Afrikanischer Weltkrieg“ bezeichnet. Das liegt daran, dass nicht nur viele afrikanische Staaten involviert sind, sondern unter anderen auch die USA, Frankreich und Deutschland. Die kriegerischen Auseinandersetzungen, die immer noch andauern, aber aus unserer Medienlandschaft inzwischen gänzlich verschwunden sind, kreisen um die Bodenschätze der Republik Kongo. Gold, Diamanten und Erdöl. Aber das kritischste von allen ist das Erz Coltan. Es gibt nicht viel davon auf der Welt und 80% des Vorkommens liegen auf kongolesischem Terrain. Coltan, bzw. das Metall Tantal ist so wichtig für die Wirtschaft, dass sich sein Marktwert innerhalb von  ein paar Monaten im Jahr 2001 vervierzigfachte.

Um die Frage zu beantworten, warum denn das Zeug eigentlich so begehrt ist, schließt sich der Kreis zum Telefon. Tantal ist ein sehr resistentes Edelmetall, das am besten in Pulverform verwendet wird und zur Herstellung von Energiespeichern dient. Jeder von uns trägt Tantal dauernd mit sich herum, denn ohne es könnte kein Handy funktionieren. Auch für Laptops braucht man Tantal, ebenso für chirurgische Instrumente und Mikrochips mit eigenem Energiespeicher. Fragt man einen Coltanschürfer im Kongo, warum er dieses dunkle Metall mit größter Mühe aus dem Boden klopft, hat dieser keine Ahnung, wofür das Erz verwendet wird. Im Kongo hat dafür selten jemand Verwendung.

Die Arbeiter und Arbeiterinnen in den Coltanminen verdienen zwischen 60 und 250 Euro im Monat. Ein Kilo Coltan bringt im Verkauf aber so viel ein, dass jedeR locker mindestens 2000 verdienen müsste. Ab und zu fällt die Bezahlung auch ganz aus, da um die Minen gekämpft wird und sich niemand verantwortlich für die ArbeiterInnen fühlt.

Coltan ist oft mit radioaktiven Materialien versetzt. Somit ist die Arbeit mit dem Metall nicht nur im Zusammenhang mit der Minenarbeit, sondern auch auf längere Sicht gesundheitsschädlich. Die Zahl der Kinder mit angeborener Behinderung hat sich drastisch vervielfacht, seit der Coltanabbau am Ende der 90er stark zugenommen hat.

Eigentlich sind die KongolesInnen so gut wie jedem egal.
Die Arbeitsmethoden vegetieren auf Steinzeitniveau dahin und die Leute sterben halt. Ruanda und Uganda liegen an der Grenze zum Kongo, gerade dort, wo sich die Minen befinden. Das ist das Kriegsgebiet, auf dem seit elf Jahren gekämpft wird. Hauptsächlich Kinder werden für den Kampf eingesetzt. Der Kongo hatte nie eine große Möglichkeit, sich gegen seine Gegner zu wehren. Das Nachbarland Ruanda ist berüchtigt dafür, die Minen auszurauben und das Coltan seinerseits zu exportieren. Schon 2001 wusste man, dass so schnell kein Ende der Krise in Sicht sein wird.

Im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen im Grenzgebiet sind inzwischen fünf Millionen Menschen gestorben. Nur weil wir nichts mehr davon hören, heißt das nicht dass der Krieg aufgehört hat. Und somit zurück zum Tantalum Memorial.

Folgen des Coltankrieges sind nicht nur Todesopfer sondern auch viele Flüchtlinge. Mediashed lässt diese Flüchtlinge per Telefonschalter miteinander kommunizieren. Man hört mit, als lausche man einem Telefongespräch, Geschichten aus dem Kongo. Natürlich nur auf Lingála.

Foto: Mediashed