DAVID KROSS: „Gefühlte Wahrheiten sollten wir nicht vernachlässigen, sondern wahrnehmen“

Mit „Boy 7“ hat Regisseur Özgür Yildrim, nach den Erfolgen „Chiko“ und „Blutzbrüdaz“, einen Sci-Fi-Thriller inszeniert, der im Jugendmilieu spielt und derzeit in den Lichtspielhäusern zu sehen ist. Frei nach dem Buch der niederländischen Autorin Mirjam Mous geht es um den jungen Sam, der eines nachts in einem U-Bahntunnel ohne Erinnerung aufwacht und sich fragt, was eigentlich mit ihm passiert ist. In Rückblenden wird dann die Geschichte, in der es um Manipulation, Resozialisierung von Problemen verursachenden Schülern und andersartige Disziplinarverfahren geht, kinoreif aufgerollt.

Hauptdarsteller David Kross, bekannt aus Filmen wie „Knallhart“, „Krabat“ und „Der Vorleser“, im Interview mit subtext.at über Anerkennung, Außenseitertum, die Vorstellungskraft eines Schauspielers und natürlich „Boy 7“.

subtext.at: David, schlüpfst du als Schauspieler gerne in die Rolle des Außenseiters?
David Kross: (überlegt) Ja, absolut. In „Boy 7“ mag ich die Entwicklung, die Hauptfigur Sam im Film so durchlebt. Am Anfang hat er wenig Freunde und bekommt dann welche im Prinzip durch irgendwelche Gefallen, die er seinen Klassenkameraden tut. Er lädt die Matheklausur von den Lehrern herunter und hackt sich in ihren Server ein. Er kauft sich sozusagen seine Freunde. Das Spiel geht dann nicht auf, er kommt dann in dieses Institut, Kooperation X genannt, und wird da anscheinend resozialisiert. Es läuft dann im Prinzip ganz anders ab, weil er hinter die Machenschaften des Instituts kommt, das hinterfragt und eine Entwicklung durchmacht. Zuerst will er nur gefallen, dann hinterfragt er. Das fand ich ganz spannend, die Rolle fand ich ganz gut.

subtext.at: Hattest du früher auch Stress mit deinen Mitschülern wie deine Figur in „Boy 7“? Hat es dich an deine eigene Schulzeit erinnert?
David Kross: Bis zur siebten Klasse war ich eigentlich der Klassenclown. Mit der Pubertät wurde ich dann etwas zurückzuhaltender und ich hatte keine Lust mehr darauf, den Klassenclown zu mimen. Davor bin ich gerne in die Schule gegangen, es hat mir auch richtig Spaß gemacht, aber irgendwann war es dann auch langweilig (lächelt).

subtext.at: Laut einer schwedischen Studie werden Außenseiter in der Schule später häufiger drogen- oder alkoholabhängig.
David Kross: Ist das so?

subtext.at: Laut dieser Studie schon, ja. Mobbing, Schikanen und Beleidigungen tragen ihren wesentlichen Teil dazu bei.
David Kross: (wirkt erstaunt).

subtext.at: Warum sehnen sich viele Mensch überhaupt so krampfhaft nach Anerkennung? Weshalb ziehen sie ihren Selbstwert aus dem, was andere Menschen über sie denken?
David Kross: Weil es ja auch viel propagiert wird, diese soziale Anerkennung. Diese Studie ist bestimmt aussagekräftig, aber was ich so mitbekomme ist, dass auch viele, die in der Schulzeit unscheinbarer waren, manchmal eine wahnsinnige Entwicklung durchgemacht haben. Das finde ich auch spannend. Die, die früher die coolen Leute waren, sind oft noch immer am gleichen Ort geblieben und nehmen noch immer die gleiche Position von damals ein. (überlegt kurz) Vieles kann sich in eine andere Richtung entwickeln, was man vorher in der Kindheit oder als Jugendlicher gar nicht denkt zu dem Zeitpunkt.

subtext.at: Entwicklung scheint dir ja sehr wichtig zu sein, wie du bereits mehrmals erwähnt hast. Kann man das steuern oder lässt sich eine Veränderung nicht willkürlich beeinflussen?
David Kross: Beides, glaube ich. Wenn man offen bleibt als Mensch, für Veränderung und Entwicklung zugänglich ist, dann geht das. Wenn man neugierig bleibt und andere Sachen lernen möchte, dann kann man das auch selbst ein Stück weit beeinflussen.

plakat

subtext.at: Als du das Drehbuch zu „Boy 7“ gelesen hast, hast du dich als auch als Hacker gesehen?
David Kross: Ja, absolut. Ich kenne mich zwar nicht so gut aus mit Computern, mache jetzt nicht so viel außer E-Mails schreiben und Fotos angucken, ich habe auch kein Facebook, aber ich habe mich ein paar Mal mit einem Hacker getroffen. Ich wollte sehen, wie er sich vor dem Computer verhält. Wie er tippt, was für Ausdrücke er benutzt. Das Thema finde ich ganz spannend, obwohl „Boy 7“ jetzt kein Film über einen Hacker im klassischen Sinne ist.

subtext.at: Heißt das Institut in dem Buch von Mirjam Mous eigentlich auch Kooperation X?
David Kross: Ja, ich glaube schon, bin mir aber nicht sicher. Es wurden viele Namen geändert und auch die Orte und die Personen. Es war schon trotzdem noch die Vorlage, aber es wurde sehr viel verändert. (überlegt kurz) Ein Film muss halt was vermitteln, ist klarer strukturiert und ist viel direkter als ein Buch.

subtext.at: „Boy 7“ hat mich an viele Dinge erinnert… Die Musik und der Schnitt teilweise an Filme wie „Lola rennt“, dann gibt es noch Drama-Momente und eine Struktur in der Resozialisierung, die an die X-Men aus den Marvel Comics erinnert.
David Kross: Ja, viele verschiedene Sachen, das stimmt. Ist ja auch ganz gut, finde ich (lacht).

subtext.at: Im Film gibt es eine Szene, die den Geruchssinn des Menschen in den Vordergrund stellt. Gerüche sind die häufigsten und hartnäckigsten Auslösereize für unwillkürliche Erinnerungen, weil der Sinn, der sie empfängt, im entwicklungsgeschichtlich ältesten Teil des Gehirns lokalisiert ist.
David Kross: Es geht ja generell viel um die Sinne im Film, dass die eine Erinnerung immer zurückholen. Bei der Lara ist es ja das Singen, das Hören, und bei der Safira das Riechen. Man sagt ja auch immer, dass man jemanden riechen kann. Da ist schon was dran an diesem Sprichwort. (überlegt kurz) Es gibt schon Momente im Film, die ich ein bisschen eklig finde. Die Szene mit dem Blut aus der Nase (lacht). Das sah sehr krass aus in der Situation. Es sah so echt aus, dass es wirklich so erschreckend war. Der Film ist aber ein Jugend-Thriller, da darf es nicht zu extrem werden. Liv Lisa Fries ist auch eine sehr gute Schauspielerin. Es hat sehr viel Spaß gemacht, mit ihr zusammenzuarbeiten.

subtext.at: Wie geht man an solche Szenen heran und wie spielt man es am besten, wenn man sich beispielsweise einen Mikrochip aus dem Nacken selbst herausschneiden muss?
David Kross: Das sind halt Situationen, die schwer vorzustellen sind (lacht). Ich musste auch mal spielen, dass ich aufwache und in der Nacht ist mein Arm abgehackt worden. Wie würde man dann reagieren? Kann man sich nicht vorstellen. Man kann dann nur die Fantasie benutzen und es sich so gut wie möglich vorstellen.

subtext.at: Heutzutage ist alles nachschlagbar, jeder Bildschirm, ob Smartphone oder Laptop, hält Anweisungen für uns parat. Brauchen wir uns überhaupt noch auf unsere Sinne zu verlassen?
David Kross: Absolut. Auf unser Bauchgefühl müssen wir achten. Gefühlte Wahrheiten sollten wir nicht vernachlässigen sondern wahrnehmen.

Boy7

subtext.at: Im Film wirst du und deine Kollegen innerhalb von Kooperation X beschäftigt und mit allerhand Dingen auf Trab gehalten, damit ihr keine Zeit habt, darüber nachzudenken, was wirklich vor sich geht. Es herrscht eine strikter Zeitplan vor Ort. Bist du ein Freund von strikten Tagesordnungen und Zeitplänen?
David Kross: Ähm, nee (lacht). Manchmal hilft es natürlich, aber ich plane sehr ungern. Da bin ich sehr spontan.

subtext.at: Hast du eigentlich eine Glückszahl?
David Kross: Nee, habe ich nicht, nee.

subtext.at: Glaubst du nicht daran?
David Kross: Wenn die Menschen daran glauben, denke ich schon, dass es etwas bringt. Man muss halt dran glauben (lacht). Ich persönlich habe halt keine Glückszahl.

subtext.at: Wessen Idee war es, Ryan Gosling als Lieblingsschauspieler im Film zu benennen?
David Kross: Es war nicht meine (lacht). Ich kann es aber verstehen, weil Gosling ja ein toller Schauspieler ist. Ich weiß nicht, ob es von Özgür war, dem Regisseur, oder vom Drehbuchautor. Ich weiß es nicht.

Vorleser

subtext.at: Wirst du eigentlich noch oft auf „Der Vorleser“ angesprochen?
David Kross: Ja (lacht)!

subtext.at: Was kommen da noch für Fragen?
David Kross: Wie es war, mit Kate Winslet zusammenzuarbeiten.

subtext.alt: Was ist denn dein Eindruck generell von Hollywood? Du konntest ja einige Zeit lang hineinschnuppern…
David Kross: Ja, konnte ich. Es gibt halt mehr Geld, so in der Vorbereitung. Das habe ich festgestellt. In Hollywood kann man viel am Drehort ausprobieren, in Deutschland muss man sich eher zu Hause vorbereiten und dann abliefern. Zeit ist ja auch Geld und den Luxus gibt es in Deutschland halt nicht.

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