Stefanie Sargnagel beim Interview am Acoustic Lakeside Festival

Stefanie Sargnagel: „Wahrscheinlich komm ich dann eh ins Gefängnis“

Jetzt, wo das Acoustic Lakeside Vogel wieder seine Flügel ausstreckt, ist es endich an der Zeit, die letzten Interviews vom letzten Jahr fertig zu stellen. Stefanie Sargnagel sprach mit uns über ihre Mama, Snackautomaten – und warum sie ins wahrscheinlich ins Gefängnis kommen wird. Was ein halbes Jahr später nicht unrealistisch klingt. 

subtext.at: Ich habe irgendwo gelesen, dass dich deine Mama und die Tante Sissi dich oft begleiten, sind sie auch am Acoustic Lakeside dabei ?
Stefanie Sargnagel: Ja.

subtext.at: Sind sie generell immer mit dabei?
Stefanie Sargnagel: Nein, nein, die haben mich grad in Klagenfurt besucht, deswegen sind sie auch aufs Lakeside mitgekommen. Aber ich hab jetzt zweimal eine Lesung auf österreichischen Fesivals gemacht – und sie waren zweimal zufällig dabei. Es ist halt lustig auf einem Indie-Festival, weil sie dann doch meistens eher zu den Älteren gehören.

subtext.at: Geht es dir dann beim Lesen besser, wenn du weißt, dass deine Mutter und deine Tante dabei sind?
Stefanie Sargnagel: Ich hab jetzt schon wirklich sehr oft gelesen und bin schon relativ unbekümmert dabei. Meine Mutter kommt öfters, ihr gefällt es. Aber sonst? Naja, am Anfang ist es immer nett, wenn jemand dabei ist, aber jetzt hab ich echt schon 60 oder 70 mal gelesen, und es ist mittlerweile sehr routiniert.

subtext.at: Bist du dann vor einer Lesung immer noch nervös oder blendet die Routine diese Nervosität schon komplett aus?
Stefanie Sargnagel: Nervös? Nein, bin ich nicht. Gerade mit diesen alten Texten nicht, da weiß ich genau, welche bei welchem Publikum gut gehen – und deswegen bin ich auch nicht so nervös. Da weiß ich auch schon genau wer, wann, wo lacht – das ist immer ähnlich. Wenn ich aus dem neuen Buch lese, bin ich dann schon nervöser. Da muss ich mich erst herantasten, was gut ankommt. Bei den alten, die habe ich eben schon in gefühlten Milliarden unterschiedlichen Settings gelesen, da kann mir nicht mehr viel passieren.

subtext.at: Bei deinen alten Texten hast du viel über deinen Job bei der Telefonauskunft geschrieben. Bei der Lesung eben hatte ich den Gedanken, dass, wenn ich dort arbeiten würde, und an einem Sonntag um Mittag würden mich 100 verkaterte Menschen um einen Lieferservice befrage, ich auch schon hungrig werden würde. Wie geht es dir da?
Stefanie Sargnagel: Ja. Mhm, hungrig. Es gab aber auch einen Snackautomaten. Ich habe oft Restaurants googeln müssen, weil nicht alles steht immer im Telefonbuch. Da muss man dann googeln, und dazwischen immer die Fotos vom Essen anscauen oder die Speisekarten lesen.

subtext.at: Du hast vorher auf der Bühne auch von Kindern gesprochen, und dass du es schwierig findest, ein perfektes Kind für dich zu finden, da es eigentlich ein Ghetto-Kind sein sollte. Falls du es je findest und dieses Kind dir eine Enkelin schenken würde, was würdest du deiner Enkelin von deiner Jugend erzählen?
Stefanie Sargnagel: Keine Ahnung. Da habe ich noch nie drüber nachgedacht. Wahrscheinlich recht ehrlich, alles irgendwie, glaube ich. Ich hätte glaub ich schon ziemlich viele Geschichten zu erzählen und wahrscheinlich ist dann die Welt schon wieder ganz anders. Wahrscheinlich werde ich vom analogen Telefon erzählen, oder von solchen Sachen.

subtext.at: Würdest du dich dann eher zu einer notorischen „Früher-war-alles-besser-Dame“ zählen oder …?
Stefanie Sargnagel: Also da bin ich nicht so. Ich bin immer sehr skeptisch. Die meisten Menschen neigen dazu, Veränderungen zuerst immer negativ zu sehen. Auch zum Beispiel im Internet, da bin ich immer sehr skeptisch, wenn in sozialen Netzen die Leute immer nur das Negative sehen. Ich glaube, ich bin da schon eher neugierig und schau mir das an. Ich weiß, dass man eben schnell in so ein Denkmuster kommt und bin da eben doch eher skeptisch, wenn man die Dinge gleich irgendwie verteufelt.

Ganz großartig – ihre Lesung auf dem Acoustic Lakeside

Subtext.at: Du publizierst ja doch eigentlich fast alles auf Facebook. Warum ist es für dich ein passendes Medium?
Stefanie Sargnagel: Das hat sich eigentlich einfach so ergeben. Ich glaube, wenn es das nicht gegeben hätte, hätte ich ein anders Medium benützt. Ich habe eigentlich immer schon gebloggt seitdem ich 15 bin, in anderen Communities. Und Facebook war halt das, wo die meisten Leute waren, und es ist irgendwie so passiert. Und es ist eigentlich auch ganz praktisch. Ich hab mir auch schon überlegt ,davon wegzugehen, weil man doch sehr einfach gesperrt wird – und ich finde Facebook als Konzern jetzt auch nicht so toll. Aber nichts anders wäre so praktisch. Wenn ich einen Blog machen würde, würde ich ihn im Endeffekt auch über Facebook vernetzen, also es würde auf dasselbe rauskommen. Es ist am Praktischsten für mich.

subtext.at: Wenn wir schon bei den Medien sind: medial ist dein Privatleben doch sehr stark besprochen worden, man erfährt sehr viel, wo du bist und warst. Und auch der „Skandal“, den die Krone „aufgedeckt“ hat. Gibt es bei dir Dinge, die für dich trotzdem noch „privat“-privat sind?
Stefanie Sargnagel: Auf jeden Fall. Die Leute glauben, nur weil ich viele Themen genauer thematisiere, thematisiere ich alles. Aber das stimmt nicht. Ich suche mir ja auch aus, welche Themen ich öffentlich machen möchte und welche nicht. Und es ist vieles doch sehr satirisch überspitzt und übertrieben. Also ich habe jetzt nicht das Gefühl, dass ich mein gesamtes Privatleben ausbreite. Vor allem über andere Leute schreibe ich nicht so viel. Ich meine über Witzmann, das ist ein Freund von mir, da habe ich jetzt eine Figur gemacht. Aber der findet es auch lustig – also das würde ich jetzt auch nicht machen, wenn die Leute nicht damit leben könnten. Es gibt ja doch viele Sachen, die gar keine Erwähnung finden in meinen Texten.

subtext.at: Nach deiner Lesung am See war es bei uns so, dass unser Freundeskreis ein wenig zerspalten war. Die einen finden es toll, die anderen gar nicht, die einen finden es zu provokant, die anderen genau richtig. Erlebst du das in deinem eigenen Freundschaftskreis auch?
Stefanie Sargnagel: Ich weiß nicht, mein Freundeskreis.. . Mhm, Freunde sind ja keine Fans oder kein Publikum. Also die kennen mich ja und wissen „das ist mein Schmäh“ und kannten dies auch, bevor ich bekannt wurde. Die sind ja schon auch mit mir befreundet, weil wir einen ähnlichen Humor haben. Die finden es glaube ich nicht schlecht. Sie sind jetzt aber auch keine Groupies. Und ich kann mir vorstellen, dass sie es auch ein bisschen fad finden würden, weil sie meine Gedanken eh aus Gesprächen kennen, und uns sonst auch schon ewig und gut kennen.

subtext.at: Und erlebst du es bei Lesungen öfters, dass jemand vom Publikum aufsteht und geht?
Stefanie Sargnagel: Mittlerweile ist es ja so, dass die Leute Eintritt zahlen für die Lesungen. Dass es so wie heute ist, dass ich auf einem Festival lese, ist ja nicht die Norm. Ich trete ja auch oft in Deutschland oder so auf und da zahlen die Leute Eintritt. Die Leute, die nichts damit anfangen können kommen nicht, also nein.

subtext.at: Angenommen es gibt einen politischen „Supergau“ in Österreich, zum Beispiel Kurz und Strache als Kanzler und Vizekanzler. Was wären deine ersten Handlungen darauf?
Stefanie Sargnagel: Mhm. Witze drüber machen, wie immer. So reagiere ich halt auf die Wirklichkeit. Wahrscheinlich komm ich dann eh ins Gefängnis.

subtext.at: Gibt es Dinge, vor denen du selbst Angst hast? Was du auch nicht in deinen Texten ansprechen möchtest?
Stefanie Sargnagel: Ähm. Ja, ich veräußere jetzt nicht mein gesamtes Seelenleben, nur das, worauf ich Lust habe. Das ist eine gewisse Stilisierung von einem selbst. Es ist nicht so, dass ich alles öffentlich mache, was in meinem Kopf vorgeht.

subtext.at: Ich nehme mal an, dass in der nächsten Zeit wieder viele Lesungen auf dich warten. Wie und wo kann man dich das nächste Mal sehen?
Stefanie Sargnagel: In Österreich werde ich mein neues Buch ein paar Mal lesen, aber die meisten Lesungen sind in Deutschland. Da hat mir meine Bookerin letztens erzählt, dass ich in Deutschland viel mehr angefragt werde als in Östereich. Weil Österreich die eigenen Künstler*innen immer so ein bisschen hasst und nicht schätzt, während in Deutschland die Lesungen oft schon komplett ausverkauft sind und wirklich viele Leute kommen. In Österreich geht es eh auch gut – aber das finde ich schon interessant.

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