© Jelena Jankovia

Jedes Ende ist ein neuer Anfang: SAD SAM MATTHÄUS bei den Wiener Festwochen

In diesem Rahmen wurde das barocke Meisterwerk der Klassik bestimmt noch nie aufgeführt: Matija Ferlin, Tänzer und Choreograf aus Kroatien, interpretiert die kolossale Matthäus-Passion von Komponist Johann Sebastian Bach bei den Wiener Festwochen neu. Manchmal muss man über das Ende nachdenken, um einen neuen Anfang zu wagen.

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Protestantische Kirchenmusik im gänzlich anderen Kontext: Ferlin, bekannt für seine früheren Sad Sam-Perfomances („Jetzt bin ich“), schlüpft in die Rolle eines alten Mannes, der in seinem letzten Lebensabschnitt zu sein scheint und nur noch in der Kunst seine Erfüllung findet. Oder sollten wir lieber Erlösung sagen? Das Leiden und und das Sterben Christi mitsamt Gefangennahme und Kreuzigung bekommt in fast drei Stunden jedenfalls eine neue Ebene spendiert. Der Beginn im Jugendstiltheater am Steinhof in Wien gestaltet sich aber strapaziös und fast meditativ. Kämpfen, sich darauf einlassen oder kapitulieren?

Zwischen Abstraktion und Konkretisierung

Der 39-Jährige, mit Gummimaske eben als alter Greis verkleidet, werkelt an einer Holzskulptur herum, seine aufgenommene Stimme dazu aus dem Off, die den letzten Lebensabschnitt Bachs mit dieser Figur auf der Bühne verbindet und dem Publikum näher bringt. Was nach einer Stunde folgte: Demaskierungen, Tierfiguren auf der Bühne, vorgetragene Ahnenbäume und ein Schauplatz voller Requisiten nach der Dramaturgie von Goran Ferčec.

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Das von Bach erdachte Stück, inszeniert zwischen drei und vier Stunden, erweckt die Leidensgeschichte von Jesus Christus gewaltig zum musikalischen Leben, wie sie im 26. und 27. Kapitel des Matthäus-Evangeliums zu vernehmen ist. Nicht minder außerordentlich ist das Werk von Matija Ferlin, welches die Wiener Festwochen bereichert, Vergangenheit und Gegenwart zusammenbringt, Religiosität durch den Fleischwolf dreht und damit sichtbare Emotionen zwischen Be- und Verwunderung bei den Gästen auslöst. „Sad Sam Matthäus“ ist zuletzt so paradox in seiner Gestaltung und Ausformulierung wie das Leben selbst.

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