KRAANERG bei den Wiener Festwochen
© Nurith Wagner-Strauss

Wunsch nach Veränderung: KRAANERG bei den Wiener Festwochen

Selbst für hartgesottene Ohren nicht einfach zu verdauen: Mit „Kraanerg“ widmen die Wiener Festwochen dem griechischen Komponisten Iannis Xenakis eine Art Tribute. Die Komposition, die bereits 1968 das Licht der Welt erblickte, setzt als Aufführung auf bildstarke Kontraste und musikalische Dissonanzen.

KRAANERG bei den Wiener  Festwochen
© Nurith Wagner-Strauss

„Kraanerg“ verstört. Ursprünglich als Ballet gedacht, verlangt einem das 75-minütige Stück in der Halle G im Museumsquartier eine gehörige Portion Aufmerksamkeit und Konzentration ab, weil die Arrangements einen förmlich überrollen. „Kraanerg“ frisst den roten Faden sprichwörtlich zum Frühstück. Xenakis hatte damals die Intention, mit seiner Musik eine vollständige Entkopplung von Genrecodes anzustreben. Die mathematische Genauigkeit, mit der die Songmodule ineinander verschachtelt sind oder auch auseinander gehen, ist in diesem Fall beängstigend.

Als Avantgardist ist der Grieche damit berühmt geworden, beim Komponieren auf mathematische Formeln zu setzen und diese mit architektonischen und geometrischen Grundsätzen zu verbinden. Das hört man. Der Erfinder der stochastischen Musik, der dieses Jahr seinen 100 Geburtstag gefeiert hätte, macht es uns also aus Tradition schon mal nicht leicht. Die von Dirigent Sylvain Cambreling getragene Darbietung wagt sich mit den Partituren weit, fast zu weit, in den Orkus der Dissonanz. Eine sichtbaren Schweißnaht zwischen den Instrumenten scheint es förmlich nicht zu geben, wenn die Streicher und Bläser des Wiener Klangforums, links und rechts auf der Bühne platziert, abwechselnd ertönen. Eine weitere Ebene gibt es mit einem aufgezeichneten, elektronisch verfremdeten Orchester, welches vom Band kommt und Zeit zum Verschnaufen schafft.

KRAANERG bei den Wiener  Festwochen
© Nurith Wagner-Strauss

Choreografin Emmanuelle Huynh lässt ihr Tanzquartett aus zwei Männern und zwei Frauen im Stechschritt und rasend zur Musik aufeinander zugehen, erstarren oder sich voneinander wegbewegen, schlüssig performt oder auch mal unförmig zum technischen Wahnwitz, der auf der Bühne stattfindet. Lichtkünstlerin Caty Olive untermalt die Szenerie mit dunklen, vertikalen Streifen, die auf dem Boden aufflackern. Passt das schlussendlich alles zusammen? Die eigene Auffassungsgabe und persönlichen Grenzen der Hör- und Seherfahrung kann mit dieser Inszenierung jedenfalls vorzüglich auf die Probe gestellt werden.


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