Filmstil Dogtooth
Foto: Crossing Europe

Dogtooth – Isolation in Griechenland

Kynodontas / Dogtooth vom Regisseur Yorgos Lanthimos hat 2009 international hohe Wellen geschlagen. Der griechische Spielfilm überrascht durch seinen verstörenden Humor und der gleichzeitig brutalen Gewalt.

Angeliki Papoulia ist der heurige Tribute Gast ,und im Zuge der Wertschätzung ihrer schauspielerischen Arbeit, ist der Film Kynodontas / Dogtooth erneut in das Festivalprogramm aufgenommen worden. Das Drehbuch zu diesem Film stammt von Yorgos Lanthimos und Efthimis Filippou. Der Film schlug bei seiner Veröffentlichung 2009 große Wellen und wurde beim Filmfestival in Sarajevo und in Canne ausgezeichnet. Zusätzlich wurde dieser Film auch für die Oskars nominiert. Rückblickend wird der Film als Grundstein für die Greek Wired Wave gesehen, welche als eine wichtige Epoche in der griechischen Filmbranche gilt. Auch für die Schauspielerin hat sich durch die Rolle viel verändert, er wird als Sprungbrett für ihre weitere Karriere angesehen.

Liebe, Regeln und Isolation

Filmstil Dogtooth
Foto: Crossing Europe

Im Fokus des Films steht eine griechische Familie, welche sich in einer Vorortvilla hinter einem hohen Zaun verbarrikadiert hat. Auf den ersten Blick wirkt die Familie fast normal. Der Vater hat einen guten Posten in einer naheliegenden Fabrik. Die Mutter kümmert sich um den Haushalt und die Erziehung der drei Teenager. Beim genaueren Hinschauen bzw. Hinhören, wird klar, dass die vermittelten Werte nur sehr wenig mit der Realität zu tun haben.

Die Belohnung für gutes Verhalten erfolgt durch Sticker. Die Person mit den meisten Stickern darf die Sonntagsaktivität bestimmen. Die Familie hat einen strikten Ablauf, wie Dinge gehandhabt werden. Die drei Jugendlichen haben jedoch die Außenwelt noch nie gesehen und auch keinen Bezug zu dieser. Ihr Alltag wird durch die Erziehung und in der Langeweile selbst erfundenen Spiele geprägt. Diese Spiele zeichnen sich durch eine kindliche Naivität aus. Aber auch die Entdeckung der eigenen Sexualität spielt bei diesen Games eine Rolle.

Mobilität durch ein Auto

Filmstil Dogtooth
Foto: Crossing Europe

Der hohe Zaun und die Regeln sollen die Kinder vor der Realität schützen und erst, wenn der permanente Eckzahn ausfällt, dürfen die Kinder das Anwesen verlassen. Dann sei man alt genug, um für sich selbst zu sorgen. Der Zaun mag zwar vor äußeren Einflüssen und Gefahren schützen, doch wer schützt die Kinder vor den innerfamiliären Gefahren?

Das einzige Verbindungsmittel nach außen ist das Familienauto, mit dem der Vater täglich in die Arbeit fährt und welches später im Film auch eine Schlüsselfunktion innehat. Dieses weinrote Vehikel bringt auch Christina in das Familiensystem.

Die Securitymitarbeiterin Christina ist der einzige Kontakt von außen. Regelmäßig transportiert der Vater sie mit verbundenen Augen auf das Anwesen, um den Sohn bei seiner sexuellen „Ausbildung“ zu unterstützen. Neben der Sexarbeit mit dem Sohn bringt sie auch für die Töchter neues von außen mit. Diese neuen unorthodoxen Einflüsse prägen vor allem die ältere Tochter (gespielt von Angeliki Papoulia). Die Situation eskaliert, als die Eltern von den neuen Erkenntnissen erfahren.

Von gelben Blumen alias Zombies

Diverse Schockmomente, verstörende Szenen und absurde Handlungsströme machen den Film, zu dem, was er ist – einen Vertreter der „Wired Greek Wave“. Dieser Film ist einer der ersten, welche diese neue Art des Filmemachens geprägt haben. Im Gespräch beschreibt die Schauspielerin Angeliki Papoulia den Prozess, wie es zu den Szenen kam und dass hier auch vieles von den Schauspieler*innen selbst mit eingeflossen ist, zum Beispiel die erfundenen Spiele. Sie gibt uns auch einen Einblick in das Filmset, was trotz des schrägen Inhaltes des Filmes sehr familiär wirkte und die beteiligten Schauspieler*innen haben auch immer noch ein sehr gutes Verhältnis zueinander.

Dieser Film kann auf mehreren Ebenen betrachtet werden. Zum einen haben wir die Ebene des Familiensystems. Eine Familie, die auf den allerersten Blick normal wirkt. Deren Alltag ist aber durch die Machtposition der Eltern und deren physischen und psychischen Gewalt geprägt. Zum anderen kann der Film aber auch aus der Metaebene betrachtet werden. Politische Themen, wie Finanzkrise, Isolation und auferlegte Regeln der Machthaber*innen hatten gerade in den 2010er Jahren einen großen Einfluss auf die griechische Gesellschaft.

Die Isolation und der sexuelle Part des Filmes weckten auch Erinnerungen an tragische Straftaten, welche ein paar Jahre vorher in Österreich publik wurden. Das Einsperren, die Gewalt und die Übergriffe lassen einen auch unweigerlich an Täter wie Josef Fritzl oder auch an Wolfgang Priklopil (Fall Kampusch) denken.

Fazit

Nicht ohne Grund wurde der Film mehrmals auf diversen Filmfestivals ausgezeichnet und auch für den Oskar nominiert. Es ist ein Film, der durch seinen extrem verkorksten Humor und seiner Mehrschichtigkeit auf verschiedenen Ebenen brilliert. Diese „lustigen/ schrägen“ Momente werden vor allem durch die grandiose Leistung der Schauspieler*innen getragen. Nichtsdestotrotz schließe ich mich meiner Kollegin Katharina Wurzer an, es dauert etwas sich in dieser ungewöhnlichen Darstellung zurechtzufinden. Ich würde sogar weiter gehen und eine Triggerwarnung für psychische, physische und sexuelle Gewalt für diesen Film aussprechen.


KYNODONTAS / Dogtooth


Regie: Yorgos Lanthimos

Griechenland 2009, 96 Minuten, Griechisch
mit Christos Stergioglou, Michele Valley, Angeliki Papoulia, Christos Passalis, Anna Kalaintzidou, Mary Tsoni


Crossing Europe 2023

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26 april – 01 mai 2023
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