Filmstill "The 9th Step"
Foto: Crossing Europe

9-tas Žingsnis / The 9th Step

Die 17-jährige Ieva muss sich entscheiden, ob sie zu ihrer Mutter nach Norwegen zieht oder in ihrer Heimat bei ihrem Vater einzieht. Dieser ist allerdings trockener Alkoholiker. Dennoch will sie bleiben, um nicht ihre beste Freundin Maja verlassen zu müssen. Das Dreiergespann muss dabei lernen, mit ihren Problemen umzugehen.

Mit starken Farben und schnell eingeführten Charakteren wird man schnell in die Geschichte geworfen. Ieva entscheidet sich gegen ihre Mutter, der Vater ist aber eigentlich gar nicht bereit, jemand zusätzlich aufzunehmen. Das Drehbuch gibt aber beiden Parteien noch schnell einen Grund mit, damit sich die beiden doch gegenseitig aufeinander einlassen. Die dritte im Bunde wird dann die beste Freundin von Ieva: Maja. Durch ständige Übernachtungen und gemeinsames Lernen wirkt es auch recht bald so, als wäre es eine kleine Familie.

Eine direkte Dysfunktionalität

Das Drehbuch verspricht dabei ganz am Anfang noch recht wenig. Die Verzeihensfrage wird einem gleich am Anfang um die Ohren geschlagen und auch das gegenseitige Ignorieren der Figuren fällt ins Erwartbare. Darin verliert er sich dann aber glücklicherweise nicht weiter, sonst zieht er mit seinen Szenen durch die Zimmer als auch Häuser & Hafenbecken, ohne dass man jemals wieder völliges Interesse verliert. Streits bleiben aber hin und wieder etwas gekünstelt, Backstory kauft man eher schwer ab und besonders der Vater tritt etwas zu heroisch als „Good Guy“ auf. Auf der anderen Seite fallen einem auch die ergreifenden Blicke und doch auch spannenden Selbstreflexionen der Figuren auf. Die Regisseurin ihres Erstlingswerks wirkt dabei ebenso selbstreflektiert und gesteht sich Fehler auch so ein. Die Geschichte wird so zwar nicht zur Stärke, aber abbringen lassen sollte man sich trotzdem nicht.

Mehr Nebel

Dunst-Look hin oder her. Hier passt er richtig gut. Der perfekt eingesetzte Gelb-Grün Kontrast mit immer wieder Rembrandt-artiger Lichtsetzung tut der Geschichte und vor allem den Augen richtig gut. Das wird dann noch besser, wenn man auf die Kompositionen der Figuren achtet. Trotz teilweise kleiner Räume teilt die Regisseurin ihre Figuren mit viel Präzision auf, sodass stehts Gegenüberstellungen entstehen, die gegen die leichte Schwäche des Drehbuchs arbeiten.

9 Schritte vor, einer daneben

Eine Richtung schlägt der Film aber vor allem in seinen ersten zwei Dritteln ein, die man nach der Erstbeschreibung nicht erwartet. Die Intention der Regisseurin geht dabei vielleicht nicht ganz auf und lässt die Geschichte auch etwas übersexualisiert wirken, hat aber doch auch seine Daseinsberechtigung. Vor allem die Pervertierung und Verschiebung des Suchtgedankens macht diesen Film dann zu einem, der auch sein eigenes Ding durchziehen kann. Nicht immer auf eine geschickte Weise, aber doch.

Fazit

Am Ende stellt sich leichte Enttäuschung ein. Nicht, weil Diskussionsmaterial fehlt. Nicht, weil das Schauspiel schlecht war. Sondern viel eher, weil einem der Trailer und die Inhaltsangabe eine eher falsche Erwartung aufbrummt. Man darf ihm also durchaus trotzdem eine Chance geben.


Filmstill "The 9th Step"

9-tas Žingsnis / The 9th Step

Regie: Irma Pužauskaitė

Litauen 2022
color, 93 Minuten, Litauisch OmeU
mit Valentin Novopolskij, Gerda Čiuraitė, Angelina Daukaite

filmrepublic.biz


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