Filmstill Lyuksemburh, Lyuksemburh
Foto: filmfestivalfreistadt.at

Lyuksemburh, Lyuksemburh

Kolya und Vasya – zwei Zwillingsbrüder aus der ukrainischen Kleinstadt Lubni – reisen nach Luxemburg, um ihrem sterbenden Vater einen letzten Abschied zu gewähren. Einer von ihnen Polizist, der andere ein kleinkrimineller Busfahrer, der sich dem Macho-Mythos hingibt. Das Chaos ist vorprogrammiert.

Sie könnten nicht unterschiedlicher sein – Kolya und Vasya. Früher waren die Zwillinge noch unzertrennlich, heute sind sie polare Unterschiede. Der eine wohnt noch bei Mama, der andere plant schon Familie. Ihr Vater hat sie schon lange verlassen, dennoch ist Kolya zutiefst bestürzt, als ihm über einen Anruf ein Unfall seinen Vaters mitgeteilt wird. Der läge in Luxemburg, schwer verletzt, womöglich kurz vorm Sterben. Das zwingt die beiden Brüder, ihre Diskrepanzen zu konfrontieren und sich zwischen zahlreichen, wunderbar komischen Kleinstadtdramen irgendwie nach Luxemburg durchzuschlagen.

Daddy Cool

Der Film beginnt gleich mit dem ersten Klischee: Die Hintergrundgeschichte, auktorial erzählt von Kolya. Die Erinnerung an seinen Vater wird aufgerollt, es erinnert fast schon an einen Abklatsch von Martin Scorseses Goodfellas, wenn nicht im Hintergrund „Daddy Cool“ von Boney M. laufen würde. Da wird man schon in den ersten zehn Minuten etliche Male zum laut Auflachen eingeladen.

Zeitsprung. Kolyha hängt in einem Schwimmbecken zur Heilung seiner Wirbelsäulenprobleme. Die Narration endet und der Titel wird eingeblendet. Die Tonalität ist etabliert und die Lachmuskeln des Publikums sind aktiviert. Auf geht‘s in den wohl witzigsten Film des heurigen Heimatfilmfestivals in Freistadt.

Dubstep bis O sole mio

Die anfängliche Narration macht noch etwas stutzig. Schafft es der Film, nicht einfach platt erzählte, peinliche Komödie zu werden? Aber schon die nächsten Minuten zeigen, dass hinter „Luxemburg, Luxemburg“ Leute mit viel Können stecken. Denn das Prinzip „show, don‘t tell“ wird trotzdem ganz ausgereizt. Das reicht von der Charakterisierung der beiden Zwillinge durch schnelles Aufzeigen derer Lebenssituationen bis hin zu überspitzten Familienstreitereien. Die Überspitzung hört dabei nie auf. Zuviel vorgreifen möchte ich hier nicht, um nicht den Spaß zu verderben, aber es sind besonders die Überzeichnungen, die dem ganzen Setting einen ständig charmanten Unterton geben. Gebrochen wird man dann ohne Ende durch die diversen Situationen, die stattfinden. Auch hier sei nicht zu viel verraten, aber die Kamera, der Schnitt, alles sitzt perfekt. Immer im richtigen Moment wird eine Situation genau lange genug gehalten, nur um dann die etablierte Erwartungshaltung auf die witzigste Art und Weise zu brechen. Unzählige Male bricht da das gesamte Publikum in Gelächter aus.

Dabei steht der von wahren Ereignissen inspirierte Film immer im Zeichen von Schwarz und Weiß. Der starke Kontrast besteht nämlich nicht nur in unseren Protagonisten. Mal hört man Dubstep im selbst-getunten Auto, dann auf einmal gibt ein Trio „O sole mio“ in einem schicken Restaurant zum Besten. Falls jemand die Idee haben sollte, während der Kinovorstellung zu trinken, landet durch diese plötzliche Situationskomik mit Sicherheit etwas davon am Vordermann.

SEntimentale, bosnische Musik

Besonders spannend ist es dann, wenn der Film auf einmal sentimentale Momente anspielt. Man würde meinen, dass diese dann völlig Fehl am Platz sind, aber das sind sie tatsächlich nie. Die vor Charme strotzdenden Charaktere schaffen es immer wieder, auch ernste Gefühle an die Zuschauerschaft zu bringen. Mit schnellen Cuts, die auch durchaus an Edgar Wright erinnern, bringt er einen aber auch ohne Hürden weiter. So wird das Ganze am Ende dann zu einem Vater-Söhne Drama, das völlig frisch, anstelle von ausschließlich selbstverwirklichend wirkt. So wie der Regisseur am Ende noch anmerkt, dass er womöglich erst im Zuge des Drehs verstehen gelernt hat, warum sein Vater immer sentimentale, bosnische Musik gehört hat.

Fazit

Während sich Luxemburg, Luxemburg immer wieder in ins leere laufenden Handlungssträngen verliert, verliert er nie an Charme. Er nutzt Klischees bewusst um Erwartungen zu verdrehen und weiß es genau, mit Kamera und Schnitt umzugehen. Schließlich ist bekannterweise das Timing das wichtigste am Humor. Wer gut choreografierte Situationskomik vermisst, wird hier sein oder ihr Match finden.


Poster Lyuksemburh, Lyuksemburh

Lyuksemburh, Lyuksemburh

Regie: Antonio Lukich
Kamera: Misha Lubarsky
Ukraine, 2022
105 Minuten


Festival Der neue Heimatfilm

23. – 27. August 2023

www.filmfestivalfreistadt.at

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Festival Der neue Heimatfilm 2023

Im Zweifel vor dem großen Screen oder hinter der Kamera.