Life Is Not a Competition, But I’m Winning
Es heißt, die Geschichte wird von den Siegern geschrieben, aber wo bleiben dann all jene, die nie zur Teilnahme an den Spielen vorgesehen waren. Die Dokumentation Life is not a competition, but I’m winning bricht anhand schockierender und absurder Geschichten die klassischen Geschlechterrollen im Sport auf.
Regisseurin Julia Fuhr Mann berichtet in ihrer 79-minütigen Dokumentation über die Diskriminierung marginalisierter Randgruppen im Sport. Dabei liegt der Fokus auf queeren SportlerInnen, die auch heute noch von etlichen Wettkämpfen ausgeschlossen und nicht auf dem Podest gesehen werden wollen oder sich sogar teils unwissend körperlichen Eingriffen unterziehen müssen. Dabei wechseln sich historische Geschichten mit höchst aktuellen Schicksalen diverser Protagonistinnen ab. Eine Gruppe queerer SportlerInnen spricht von ihren eigenen Erfahrungen und taucht immer wieder selbst in die historischen schwarz weiß Aufnahmen ein.
Unzählige Schicksale
Thematisiert wird zum Beispiel Lina Radke, die 1928 bei den Olympischen Spielen in Amsterdam als erste im 800 Meter Sprint über die Ziellinie läuft. Doch nach ihr kollabiert eine Läuferin im Ziel, somit war man sich einig, dass Frauen einfach nicht für diese anspruchsvolle Disziplin gemacht wären. Radke bekommt nie eine Goldmedaille verliehen und es dauert ganze 32 Jahre, bis man den 800 Meter Sprint wieder für Frauen freigibt. Amanda Reiter, einer deutschen Transfrau, wurde der Marathonsieg in München erst nach ihrem Einspruch anerkannt. Die offizielle Erstplatzierte bis dahin war nämlich gar nicht richtig registriert. Offiziell wurde ein Meldefehler als Grund für diesen Fauxpas genannt, doch Reiter ist sich sicher, „Man will halt einfach eine andere Läuferin auf dem Siegertreppchen haben als eine Trans sexuelle Frau.“ Bis heute hat sie weder eine Urkunde noch eine Siegerehrung erhalten.
Stella Walsh erzielte über Jahre hinweg Weltrekorde und war somit eine der schnellsten Läuferinnen ihrer Zeit. Doch nach ihrer Ermordung 1980 wurde bei einer Autopsie festgestellt, dass sie keine Gebärmutter hat. Deshalb werden ihre großen Erfolge, die sie zu Lebzeiten erreicht hat, noch heute angezweifelt.
Wilma Rudolph gewann, trotz einer vorhergegangenen schweren Polio-Erkrankung, 1960 bei den Olympischen Spielen in Rom Gold. Doch der Siegesparade in ihrer Heimat Buford Ellington (damals noch in den Rassen getrennten USA) stimmte sie nur zu, wenn alle Personen, egal ob schwarz oder weiß, teilnehmen durften. Sie war eine zentrale Figur der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Annet Negesa musste sich 2012 aufgrund ihres zu hohen Testosteronspiegels im Blut einer Operation unterziehen. Der Eingriff hatte fatale Folgen für sie und bis heute konnte sie nie wieder zu ihrer damaligen Form zurückkehren.
Die Fassade bröckelt
Die Dokumentation zieht Vergleiche mit den Olympiastadien in Berlin und Athen. Beide Stadien scheinen prächtig und unzerstörbar, doch der Schein trügt. Die Fassade in Berlin bröckelt schon seit längerem und auch in Athen wurde nicht das gesamte Stadion aus weißem Marmor erbaut, so wie man oft meinen würde. Mehrere Teile der Sportstätte wurden aus Holz erbaut und lediglich bemalt. Die Basis, auf dem der olympische Sport basiert, ist also brüchig und mehr Schein als Sein. So wie es war, wird und kann es nicht für immer weiter gehen. Es muss eingegriffen werden, die patriarchalen Strukturen müssen verändert werden. Fuhr Manns Dokumentation überbringt eine klare Message.
Fazit
Düstere Bilder aus dem Olympiastadion Athen und deutliche Ansagen der Darstellerinnen machen dringen in das Gedächtnis der ZuseherInnen ein. Nach dieser Dokumentation wird man jegliche olympischen Wettbewerbe und sportliche Veranstaltungen mit anderen Augen sehen. Mit kreativen Techniken wie dem Projizieren der DarstellerInnen in historische Aufnahmen bekommt die Dokumentation einen ganz eigenen Charakter. Die Aussage des Films ist klar. Die Geschichten, die erzählt werden, gehen tief unter die Haut. Auch nach dem Verlassen des Kinosaals denkt man noch länger über das Gesehene nach.
LIFE IS NOT A COMPETITION, BUT I’M WINNING
Drehbuch: Julia Fuhrmann
Deutsch/Englisch
79 Minuten
Website
filmfestival linz
30 april – 05 mai 2024
www.crossingeurope.at
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