Ein gestohlener Planet und der Wunsch nach Freiheit
In „My Stolen Planet“ erzählt Farahnaz Sharifi ihre Geschichte. Persönlich und berührend hat sie ihre Erfahrungen aufgearbeitet und beschreibt das Leben im Iran nach der islamischen Revolution. Mit Feingefühl und Finesse nimmt sie das Publikum mit in ihre eigene Welt, ihren eigenen Planeten.
Die Erzählung beginnt im Jahre 1979. Das Jahr der islamischen Revolution im Iran und der Geburt Farahnaz Sharifi. In dem autobiografischen Werk beschreibt die in Deutschland lebende Filmemacherin das Aufwachsen in dem Zuhause, das sie liebevoll ihren kleinen Planeten nennt. In einer Welt, in der Frauen dazu verpflichtet sind, sich hinter Kopftüchern zu verstecken, bietet ihre Familie einen Raum, in dem jeder so sein kann wie er ist. Später wird ihr klar, dass sie für dieses Privileg kämpfen will und muss. Die brutalen Proteste bringen nicht nur Haftstrafen, sondern auch starke Verletzungen und Todesfälle mit sich. Auch Farahnaz und ihre Freundinnen sind davon betroffen.
„This Movie was made out of Pain, Love and a lot of Hope“
Seit sie das erste Video gedreht hat, war Farahnaz in das Filmemachen verliebt. Sie beschreibt, wie sich das Aufnehmen ihres Alltags in eine unumgängliche Sucht entwickelt hat. Die Dokumentation ist eine Liebeserklärung an den Film, an das Dokumentieren von Realitäten und das kreative Bedürfnis, dadurch das Geschehene für die Nachwelt festzuhalten und zu archivieren. Auch Aufnahmen außerhalb ihrer eigenen Tätigkeit findet Farahnaz faszinierend. Sie sammelt Super-8-Filme, die sie in einem Videoladen bekommt. Diese alten, teilweise kaputten Filme werden für den digitalen Gebrauch eingescannt, Bild für Bild. Auch dieser Prozess wird im Film in unterschiedlichen Szenen aufgegriffen und dargestellt.
Diese Dokumentation schafft es, viele unterschiedliche Themen anzusprechen und dabei den roten Faden nicht zu verlieren. Farahnaz leitet mit ihrer Geschichte durch den Film und kann, durch die Vielfalt der Themen, das Leben generell und spezifisch im Iran, beschreiben. Im Film werden außerdem Flucht bzw. Exil thematisiert und in einem anderen Blickwinkel betrachtet. Schließlich nehmen auch Verlust und Vergessen eine wichtige Rolle im Leben der Regisseurin, Kamerafrau und Drehbuchautorin ein. Sie spricht sich jedoch auch klar zur politischen Lage im Iran, der Gewalt und Brutalität aus. Besonders in diesem Aspekt arbeitet Farahnaz mit Aufnahmen von Demonstrationen und Protesten, die im Internet veröffentlicht werden. Diese sind besonders ehrlich und unzensiert. Die Gefahr, im Rahmen eines solchen Protests geschlagen oder getötet zu werden, ist hoch. Es wird eindeutig klar, dass das Filmen aus bspw. einem (fahrenden) Auto auf die Straße hinaus und in die Gruppen der Protestierenden hinein, mit einem plötzlichen Schuss zunichtegemacht werden kann.
Fazit
Emotional, persönlich, mit Gänsehautmomenten und Tränen in den Augen überzeugt die iranische Dokumentation auf allen Ebenen. Ehrlich und klar zeigt Farahnaz auf, was es im ganzen Land bedeutet, eine Frau zu sein. Die starken Bilder und Aufnahmen werden durch grandioses Storytelling und beeindruckendes Characterbuilding begleitet und unterstützt.
Dieser Film ist eine Liebeserklärung an das Bedürfnis des Filmemachens. Er zeigt, wie wichtig es ist, für die Dinge zu kämpfen, die man für richtig hält. Farahnaz beschreibt das Gefühl der Heimat, was ein Zuhause ausmacht und dass es schneller als gedacht sein kann, dass man nicht mehr dorthin zurückkommen kann. Es ist eine Hommage an das Vergessen und wie wichtig es ist, aufzunehmen und zu dokumentieren, was auf dem eigenen Planeten geschieht.
Sayyareye Dozdide Shodeye Man
My Stolen Planet
Regie: Farahnaz Sharifi
82 min / DE/IR, 2024