Filmstill aus Pfau – Bin ich echt?
Foto: geyrhalterfilm.com

Pfau – Bin ich echt? Endlich Situationskomik!

Matthias ist zum Mieten da. Richtig. Egal, ob als beeindruckender Freund, Gegenüber fürs Streiten oder auch als Vorzeige-Sohn: Als Angestellter einer Rent-A-Friend Agentur kann Matthias alles sein. Zumindest so lange, bis er sich dabei selbst zu verlieren beginnt.

In diesem Langfilmdebüt wird eine bissige Gesellschaftssatire gezeichnet. Matthias ist um die Mitte dreißig und hat nach außen ein perfekt gesetztes Leben. Lediglich sein Beruf ist außergewöhnlich: Er vermietet sich selbst an andere Menschen, die eine Begleitperson brauchen. Sein Arbeitsalltag besteht daraus, den attraktiven Boyfriend zum Besten zu geben oder auch als Pilot vor der Volksschulklasse den Papa zu spielen. Darin ist er richtig gut, hat als Teil seiner Agentur die besten Bewertungen und fast nur zufriedene Kund:innen. Als sich jedoch plötzlich seine Freundin von ihm trennt, wird er dazu gezwungen, sich selbst zu hinterfragen. Wieviel spielt er nur? Wer in seinem Leben ist vielleicht auch nur gemietet? Und hat das ständige Lügen tatsächlich keine Konsequenzen?

Satire, die man so nicht kennt

Filmstill aus Pfau – Bin ich echt?
Foto: geyrhalterfilm.com

Ein österreichischer Regisseur, der sich selbst als Optimist bezeichnet. Das ist ein Satz, den man so normalerweise nur in Märchen finden würde. Wäre da nicht Bernhard Wenger, der nach neun Kurzfilmen auf dem Buckel nun sein Debüt in Spielfilmlänge wagt, für das er dann auch gleich ein sattes Budget von über 3 Mio. Dollar akquiriert. Spätestens dann wird klar, dass man es hier mit einer Ausnahme zu tun hat.

Bernhard Wenger ist dabei wahrscheinlich (noch) den wenigsten ein Begriff. Wer sich aber in der Kurzfilm-Szene ein bisschen auskennt, ist eventuell schon das ein oder andere Mal über seine Werke gestolpert. Mit Filmen mit so verwegenen Titeln wie „Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin“ hat er durchaus bereits seinen eigenen, humorvollen Stil geprägt und gefestigt. Pfau – Bin ich echt ist nun der Versuch, diesen Stil auch im längeren Narrativ unter Beweis zu stellen.

Okay, österreichische Gesellschaftssatire also. Unter Kennern läuten hier bereits alle Alarmglocken. Schon wieder ein Film mit alten weißen Männern, die sich trockene Dialogschlachten gefüllt mit Fäkalhumor an den Kopf werfen. Aber weit gefehlt. Wenger macht andere Filme. Ganz andere. Sein Fokus liegt dabei auf der Situationskomik. So kombiniert er untypische Bildkompositionen mit unerwartetem Sound und präzise getimtem Schnitt zu solch – Achtung Wienerisch – urkomischen Szenarien, die das österreichische Kino lange nicht gesehen hat. Dabei muss auch gar nicht gesprochen werden. Manchmal reicht es auch einfach, wenn eine Riesendogge regungslos im Wohnzimmer steht.

Der prätentiöse Pfau

Albrecht Schuch übernimmt mit Matthias hier keine einfache Rolle. Er sagt zwar Recht wenig, aber genau darin liegt die Herausforderung. Wenger traut sich, seiner passiven Hauptfigur nur mit Blicken Leben einzuhauchen. Und das funktioniert erstaunlich gut. So gut, dass sich diese Art von Kino vor allem hier in Österreich richtig frisch anfühlt. Wenger selbst nennt dabei gerne seine skandinavische Inspiration – der Name Kaurismäki fällt unter anderem – als Grund für seinen Stil. Auch Borgli oder Östlund fallen einem während des Schauens von Pfau gerne einmal ein.

Das Kreuzen von österreichischem Humor mit dem aus dem Norden ist bei genauerem Hinsehen auch gar nicht so abwegig. Die Misantropie der Österreicher, aufgefrischt mit dem Nihilismus aus dem Norden, passt wie die Faust aufs Auge. Vor allem dann, wenn sich ein so perfektionistischer Regisseur wie Wenger an diese Art der Komödie heranwagt. Immer wieder holt er aus, nur um mit einem wuchtigen Seitenhieb die gesamte Verdrossenheit der heutigen Selbstpräsentation der Gesellschaft aufs Kreuz zu nehmen. Selbst vor der Kunst an sich scheut er nicht zurück. So erschafft Wenger hier am Ende einen Film, der richtig Spaß macht und Humor hat, der entweder den gesamten Saal oder genau die eine Person mit völlig verschrobener Wahrnehmung in Gelächter ausbrechen lässt.

Die nächsten 5 Jahre

Viele Jahre hat Wenger dabei am Drehbuch gesessen und herumgeschraubt. Wie die Schauspieler selbst sagen, lässt er dabei gut und gerne weniger Spielraum für Improvisation als andere. Das zeugt von einer sehr genauen Vision, die ihm hier zum Glück nur in Teilen im Weg steht. Vor allem zu Beginn des Films wirken Dialoge leider doch oft etwas zu statisch geskriptet und vor dem letzten Drittel verliert sich das Drehbuch auch in ein paar zu vielen Wiederholungen. Über diese beiden Mängel kann man aber auch problemlos hinwegsehen (oder -lachen).

Pfau – Bin ich echt lässt einem auch immer genügend Spielraum, sich selbst und seine Mitmenschen zu hinterfragen. Dabei ist er nicht zu gehoben, nein, er lädt einen zum Interpretieren ein und zwingt es nicht unnötig auf. So entsteht final eine Mischung aus Komödie und Tragikomödie, die man sich vor allem auch für die wunderschön inszenierte Kamera auf der großen Leinwand ansehen sollte. Bleibt nur zu hoffen, dass Wenger für sein nächstes Projekt nicht wieder länger als fünf Jahre braucht. Arbeitsdauer hin oder her, danken muss man ihm jedenfalls jetzt schon dafür, dass er endlich die österreichische Comedy aufmischt. Noch nicht perfekt, aber es wäre ja langweilig, wenn man sich nicht auf die Zukunft freuen dürfte. Optimismus im österreichischen Film geht ja also doch.

Fazit

Man darf sich auf alle Fälle auf weitere Filme (oder Serien) von Wenger freuen. Tolle Bilder, aberwitzige Szenen und der Bonus der Gesellschaftskritik: So macht das Filmschauen richtig viel Spaß, vor allem in einem vollen Kino mit Freunden ringsherum. Egal ob gemietet oder nicht.


Filmplakat von Pfau

Pfau – Bin ich echt?

Regie: Bernhard Wenger

AT/DE 2024, 102 Minuten
Mit Albrecht Schuch, Julia Franz Richter, Anton Noori

polyfilm.at

Im Zweifel vor dem großen Screen oder hinter der Kamera.