Filmstill aus If I Die, It'll Be of Joy
Foto: crossingeurope.at

Vom Leben, der Liebe und dem Alter

Auch wenn sie einen recht großen Teil unserer Gesellschaft ausmachen, wird den Perspektiven des Alters im Film kaum Raum gegeben. Im Rahmen des Crossing Europe Film Festivals sind in diesem Jahr einige Filme gezeigt worden, die genau diesen Personen eine Stimme geben. Stellvertretend werden hier die Filme Ein Leben in Farbe und If I Die, It’ll Be of Joy vorgestellt.

Das Thema Altwerden mit allem, was dazugehört – Liebe und Sexualität, Freude und Aufregung sowie Sterben und Tod – überschattet das diesjährige Crossing Europe. Filme wie Ein Leben in Farbe und If I Die, It’ll Be of Joy bieten Raum für Dinge, die für jeden von uns unausweichlich scheinen und doch nicht in dieser Art und Weise angesprochen werden. Diese beiden Filme besprechen ähnliche Schwerpunkte und bieten gleichzeitig vollkommen unterschiedliche Umsetzungen. Eine Vorstellung der Thematik und ein Vergleich der Herangehensweise bietet sich an.

Filmstill: Ein Leben in Farbe
Foto: crossingeurope.at

Ein Leben in Farbe

„Ein Leben in Farbe“ nimmt das Publikum mit in die Welt Eleanor Ambos. Die über 90-Jährige ist mit 17 Jahren in die USA emigriert, um dort „Dekoriererin“ zu werden. Ihre Karriere als Innenarchitektin hat sie zu einigen Immobilien und vielen Kontakten gebracht. Auch Regisseur Axel Stasny zählt zu diesen Bekannten/Freunden, wie dieser im Gespräch erzählt. Ihr schillernder und exzentrischer Charakter lädt in ihre eigene kleine Welt ein, die so ganz anders und doch vertraut scheint. Mit Bedacht ausgewählte Aussagen voller Poesie geben die Weisheiten einer Frau wider, die aus einem durchaus aufregenden Leben erzählen kann.

Man würde meinen, hat man die 90 geknackt, würde es doch etwas ruhiger werden, doch Eleanor denkt nicht daran, die Lebensfreude an den Nagel zu hängen. Sie tanzt wild, spricht laut und lässt sich von niemanden unterkriegen. Auch von der Aufregung frischer Liebe hat sie noch nicht genug. Der Film erzählt nicht nur die Geschichte von Eleanor, sondern gibt einer ganz besonderen Bindung zwischen ihr und Peter, einem 70 Jahre jüngeren Studenten, eine Bühne – mit allen Fragen, Ängsten und den großen Emotionen. Zwischen den Straßen von New York ist es im Nachhinein (k)eine Frage von Inszenierung oder Authentizität, da es scheint, als habe selbst Eleanor keine klare Antwort darauf parat. Sie war ein offener, aufgeweckter, neugieriger, lebensfroher und etwas chaotischer Mensch. Zwar ohne Testament hatte sie dafür umso mehr Projekte, die noch 30 Jahre in die Zukunft geplant waren.

Filmstill: If I Die, It'll Be of Joy
Foto: crossingeurope.at

If I Die, It’ll Be of Joy

Sex und körperliche Zärtlichkeiten werden in unserer Gesellschaft mit Jugend, gesunden Körpern und einer gewissen unkomplizierten Freiheit verbunden. „If I Die, It’ll Be of Joy“ spricht dagegen an und bringt Sexualität im Alter auf die große Leinwand. Micheline, Francis und Yves geben Alter in der LGBTQIA+ Community eine Stimme. Sie bringen Fragen und Antworten zu Bedürfnis, Sehnsucht und Lust. Anhand Einsichten in das aktuelle und vergangene Leben der Protagonist:innen wird ein buntes Bild gezeichnet, in welchem von verbotener Liebe die Rede ist, unerwiderte Bedürfnisse beschrieben werden und es doch um ganz Alltägliches geht.

Im Gegensatz zu „Ein Leben in Farbe“ wird in diesem Film anhand eines Fokus auf queere Liebe die Perspektive des Alters mit einbezogen. Entlang einer Theater- sowie Filmproduktion werden die verschiedenen Aspekte präsentiert. Den ersten Erwartungen nach erstaunlich unaufgeregt emotional überzeugt die französische Produktion von Alexis Taillant mit großen Bildern, einer stimmigen Klammer und einer persönlich intimen Note.

Von Ansätzen und Strategien

Zwei Filme, in denen über die Liebe gesprochen wird – ob nun körperliche Nähe, emotionale Intimität oder die Liebe zum Leben selbst. Beziehungen außerhalb der heteronormativen Vorstellung werden besonders in der älteren Generation unserer Gesellschaft nur wenig besprochen. Oft wird Queerness als Phänomen der Jüngeren gesehen. Beide Filme sprechen genau solche Formen der Liebe an, die sich nicht so einfach in eine Schublade stecken lassen. Die beiden Regisseure bieten ihnen dadurch eine Möglichkeit, gehört zu werden. 

Die Protagonist:innen beschäftigt dabei ebenso Themen wie der Tod und das Sterben. Sei es die Angst davor, selbst diese Welt zu verlassen oder den liebsten Menschen zu verlieren, wie es in „If I Die, It’ll Be of Joy“ angesprochen wird. Die Strategie Eleanors ist es im Gegensatz, diese Thematik so lange wie möglich hinauszuzögern. Dem Publikum wird trotzdem rasch klar, dass sie doch nicht darum herumkommt, sich darüber Gedanken zu machen. Mit einer gewissen Poesie in Wort und Bild kann sie nicht anders als von ihren Überlegungen zu Leben und Tod zu erzählen. Während der eine darauf zugeht, weicht die andere bestmöglich aus.

Trotz der inhaltlichen Ähnlichkeit lassen sich auch einige Unterschiede finden. Besonders hervorzuheben ist die Herangehensweise der beiden Filmemacher. A. Stasny hat Eleanor bereits jahrelange gekannt und war äußerst gut mit ihr befreundet. Dieser persönliche Zugang zum Projekt ist im Endprodukt spürbar. Als weiterer Akteur in Eleanors Welt, kommt auch er hinter der Kamera immer wieder mit Kommentaren oder Fragen zu Wort. Die Umsetzung von A. Taillant ist eine viel klassischere. Durch ausgewählte Perspektiven ein bestimmtes Thema vorzustellen ist eine Strategie, die funktioniert und durchaus gut gelungen ist. Besonders für diesen Film war es eine gute Wahl diesen Aufbau zu wählen, da es den gewissen Rahmen bietet, die Individualität von Liebe deutlich zu machen und zu unterstreichen.

Fazit

Zwei Filme in denen, meiner Meinung nach, sehr wichtige Themen besprochen werden, einer zum gewissen Grad minderrepräsentierter Gruppe eine Bühne geboten wird und abermals die Facetten der Menschen mit Charme und Eleganz vermittelt werden. Egal ob Ein Leben in Farbe und dem sehr persönlichen Zugang oder If I Die, It’ll Be of Joy, der offener und spezifischer spricht, überzeugen beide Filme mit unerwartet großer Emotionalität, die den/die ein oder andere Zuseher:in zum Weinen, Lachen und Nachdenken bringen.


Filmplakat Ein Leben in Farbe

Ein Leben in Farbe

Regie: Axel Stasny

Österreich 2025, 71 Minuten, Deutsch/Englisch/Spanisch OmeU
Mit Eleanor Ambos

stasnyfilm.com (Ein Leben in Farbe)

Filmplakat If I Die, It’ll Be of Joy

If I Die, It’ll Be of Joy

Regie: Alexis Taillant

Frankreich 2024, 80 Minuten, Französisch OmeU


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filmfestival linz
29 april – 04 mai 2025
www.crossingeurope.at

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Kreativ offenes Köpfchen, meist mit Kamera und Notizbuch vorzufinden.