Anima – Die Kleider meines Vaters
Foto: Heimatfilmfestival Freistadt

Anima – Die Kleider meines Vaters

Anima – Die Kleider meines Vaters“ ist neben dem Film „Mein Vater, der Fürst die zweite Vater-Tochter Dokumentation, welche am Festival der neue Heimatfilm in Freistadt zu sehen war. Der Film von Uli Decker zeigt uns auf eine sehr außergewöhnliche Art die Welt ihres verstorbenen Vaters.

Uli Decker hat gemeinsam mit ihrer Co-Autorin Rita Bakacs das Drehbuch zu ihrer aktuellen Dokumentation über ihren Vater geschrieben. Im Gespräch verrät uns die Regisseurin, dass zu Beginn des Projektes kein so emotionaler Film geplant war. Stattdessen war der Plan, die Geschichte in Form eines fiktiven Spielfilmes zu erzählen. Aber wie so oft kommt es anders als geplant und Uli Decker wagte sich in einer teilweisen animierten Dokumentation an das Geheimnis ihres verstorbenen Vaters.

Es geht um die Transformation der Seele

Im Mittelpunkt der Dokumentation steht der Lehrer Helmut Decker. Nach einem tragischen Radunfall erzählte seine Frau am Sterbebett den beiden Töchtern über die versteckte Leidenschaft ihres Vaters. Schon als Junge bzw. Jugendlicher hat sich Helmut gerne mit Frauenkleider bekleidet. Jahre nach dem Tod des passionierten Lehrers bekommt die Regisseurin Uli Decker eine Kiste mit alten Sachen von ihres Vaters überreicht. Eine Kiste voller femininer Kleidung, Schuhe und Kosmetika macht den Anfang der dokumentarischen Reise.

Foto: Flare Film

Anhand von Tagebucheinträgen, persönlicher Erinnerungen und Interviews wird die Geschichte der Deckers neu aufgerollt. Von außen wirkte die Familie wie eine Vorzeige-Familie. Ein kleines Häuschen am Land, beide Eltern angesehene Lehrer:innen und wertvolle Mitglieder der Pfarre. Die zwei intelligenten Töchter vervollständigen die perfekte Fremdwahrnehmung.

Der Dokumentarfilm zeigt, dass es jedoch in der Familie selbst nicht immer so leicht war. Uli Decker rebellierte bereits als Kind und weigerte sich, die gängigen Rollenstereotypen gerecht zu werden. Sie wollte sich nicht dem mädchenhaften Klischee fügen, sondern Abenteuer erleben, dies am besten verkleidet als Mann.

Die Angst des Vaters, die Tochter könnte sein Geheimnis durchschauen, ließ ihn Abstand halten und es war für beide, Uli und Helmut, schwer, trotz ihrer Ähnlichkeit eine emotionale stabile Beziehung aufzubauen.

Leben mit einem Geheimnis

Uli Decker und Rita Bakacs ist es sehr gut gelungen, die Emotionen aus den Tagebüchern wieder zum Leben zu erwecken. Die spezielle Machart, welche ein Mix aus Fotocollage und Animation ist, lassen einen die Verzweiflung, aber auch die Freude der Familie fühlen.

Foto: Flare Film

Helmut Decker, welcher seine Kindheit in der Kriegszeit und seine Jugend in der Nachkriegszeit verbrachte, wurden sehr rigide Werte von seinem Elternhaus mitgegeben. Er war immer schon sehr katholisch und schon bald als Ministrant tätig. Diese katholischen, traditionellen und bürgerlichen Wertvorstellungen ließen sich mit seinem Bedürfnis des Transvestierens nicht in Einklang bringen. Regelmäßige Beichten und Bußen gehörten zum Leben des adoleszenten Helmut Decker.

Es gab Momente, wo er länger kein Bedürfnis zu Transvestieren verspürte und dann wieder Zeiten, wo er beinahe täglich dem Drang nachgab. In einer Zeitspanne, wo es für ihn kein Wunsch war, lernte er seine Frau kennen und gründete eine Familie.

Regelmäßig borgte er sich Kleider seiner Frau aus und machte, wen diese nicht zu Hause war, Ausflüge nach München zum Flanieren. Erst später weihte er sie in sein Geheimnis ein.

Fazit

Die collagenartige Animationen, zwischendurch mit der ausgefeilten Soundkulisse, machen den Film zu etwas Außergewöhnlichem. Die Erzählungen der einzelnen Familienmitglieder gepaart mit den Einträgen der Tagebücher geben einem einen tiefen und sehr persönlichen Einblick in ihre Geschichte. Ich teile die Sichtweise der Regisseurin: Es ist besonders wichtig ,Medien rund um das Thema der Geschlechterfrage zu produzieren, damit verschiedene Zielgruppen, vor allem junge Menschen, die Möglichkeit haben, andere Werte außerhalb der traditionellen kennenzulernen. Kurz zusammengefasst eine sehr gelungene Dokumentation, welche ein breites Publikum verdient.


Anima – Die Kleider meines Vaters

Regie: Uli Decker
Kamera: Siri Klug, Uli Decker
Deutschland 2021, 94 Minuten

Kinostart: Oktober 2022


Festival Der neue Heimatfilm

24. – 28. August 2022

www.filmfestivalfreistadt.at

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