Foto: nordiskfilmogtvfond

Subkulturen – Varmt Välkommen!

Das Nordisk Panorama Filmfestival stellte Subkulturen in den Fokus, die Street-Art-Gangs und Graffiti-Szenen porträtieren. Die beide Filme Balomania und The Tunnel zeigen, wie diese Nischenkunst Gemeinschaften formt und gleichzeitig die Herausforderungen der Illegalität bewältigt. Talks und Workshops vertieften das Thema praxisnah.

Das Nordisk Panorama Filmfestival legte an einem Festivaltag einen Schwerpunkt auf die Darstellung von Subkulturen bzw. der Underground-Kultur. Zwei Filme widmeten sich diesem speziellen Thema und beleuchteten die Nische aus einem besonderen Blickwinkel. Die Personen, die hinter den jeweiligen Filmen standen, luden auch zu einem Talk ein, in dem sie gemeinsam versuchten zu ergründen, warum Subkulturen für so viele Menschen eine solch große Anziehungskraft haben.

Die dänische Filmemacherin Sissel Morell Dargis begleitete in ihrer Dokumentation Balomania brasilianische Streetart-Gangs. Anders als in Europa lassen diese Künstler*innen ihre Kunst in die Luft steigen. Sissel spricht im Talk über das Gefühl der Macht, das aufkommt, wenn der Ballon in die Luft steigt und die Kunst sichtbar wird. Einer der Hauptgründe, warum sie sich dieser Community anschloss, war neben dem Film auch das Adrenalin während der Aktionen.

Zwischen Ballonen und Buchstaben

Auch die Filmemacher von The Tunnel beschreiben dieses Gefühl bzw. den Reiz des Verbotenen. The Tunnel ist ein Film von Björgvin Sigurðarson und Hallur Örn Árnason, der sich der Graffitiszene in Reykjavik widmet. Sigurðarson ist Filmemacher und war bzw. ist selbst in der Szene aktiv. Er beschreibt die Graffiti-Community als eine Gruppe, die zugleich zerstört und Neues schafft.

Im Talk wurde oft von Gemeinschaften gesprochen, in denen Sozialisierung stattfand, und es hatte etwas von einem „Tribe“, in dem man gemeinsam erwachsen wurde und Verbindungen knüpfte. Teilweise betitelten die Filmemacher*innen ihre Community sogar als Familie, in die man nicht durch eine Mitgliedschaft, sondern durch Vertrauen aufgenommen wird. Diese Gruppierungen sind oft sehr verschlossen und bilden eine versteckte Welt. Die Kunst, ob Graffiti oder Ballonbau, kann man in keiner Institution erlernen; sie wird meist über „Learning by Doing“ oder mit Hilfe von Vorbildern aus der Community weitergegeben.

Ein Teil des Talks widmete sich auch den sozialen Netzwerken. Gerade bei Subkulturen, die immer wieder die Grenzen der Legalität überschreiten, ist es schwierig, die Kunst über soziale Netzwerke darzustellen. Besonders bei den Balonkünstler*innen steigt die Gefahr, erwischt zu werden und dadurch ins Gefängnis zu kommen. Auf der anderen Seite wurden auch die Vorteile von Social Media hervorgehoben: Durch Instagram und Facebook gelingt es, einen internationalen Austausch zwischen den Communitys herzustellen, was die Qualität der Kunst positiv beeinflusst und neue Inspirationen bringt.

The Tunnel

Der Tag begann mit der Dokumentation The Tunnel von Björgvin Sigurðarson und Hallur Örn Árnason. Die beiden Isländer erzählen die Geschichte des Graffitis in Reykjavik und einer ganz bestimmten Unterführung. Sigurðarson war selbst in der Szene aktiv und hat sich mit diversen Graffitis in der Stadt verewigt.

Die Dokumentation besteht aus privaten Aufnahmen damaliger Künstlerinnen, Medienberichten, Interviews und aktuellen Aufnahmen. Zusammen mit unzähligen Künstlerinnen wird ein Stück Hip-Hop-Geschichte wiederbelebt. Obwohl die Stadt von Vandalismus sprach und Maßnahmen zur Eindämmung überlegte, blühte die Szene um die Jahrtausendwende auf. Ein zentraler Ort war die Unterführung, in der die Person Jói eine zentrale Rolle spielte. Jói, der für Ausbesserungsarbeiten bei der Stadt angestellt war, fungierte als eine Art Kurator: Er entschied, welche Graffitis übermalt und welche erhalten bleiben durften.

Durch die privaten Aufnahmen, Geschichten aus Interviews und Medienberichte wurde die Geschichte dieser Subkultur lebendig und damit ein Teil der Kulturgeschichte Reykjaviks verewigt.

Balomania

In Balomania begleitet Sissel Morell Dargis eine brasilianische Streetart-Community, die sich über das Steigenlassen kunstvoller Ballons auszeichnen. Diese geheime Community der „Baloeiros“ setzt sich den Gefahren des Gesetzes und der Verfolgung aus, da die Ballonkunst illegal ist. Die Dokumentation zeigt eine unbekannte, aber faszinierende Form der Kunst, die von Vertrauen und Misstrauen gleichermaßen geprägt ist.

Trotz der wackeligen Kameraarbeit und der Herausforderung, Zugang zu dieser verschlossenen Gemeinschaft zu finden, bietet der Film spannende Einblicke in eine geheime Welt und ist besonders für Kunstliebhaber*innen und Fans von Subkulturen zu empfehlen. Subkulturfanatiker*innen sehr zu empfehlen.

Subkultur am Festival

Neben Filmen und Talks wurden die vielfältigen Subkulturen beim Festival auch „hands-on“ gefeiert, etwa durch einen Graffiti-Workshop oder das abendliche Punk-Konzert der Band SMiSK.


Balomania

Regie: Sissel Morell Dargis

76 Minuten, OmEu


The Tunnel

Regie: Björgvin Sigurðarson & Hallur Örn Árnason

76 Minuten, OmEu


Nordisk Panorama – Film Festival

19. – 24. September 2024

nordiskpanorama.com

Alle Artikel zum Festival hier auf subtext.at

Nordisk Panorama 2024

Konzerte - Filme - Bücher - Musik - Kunst // Sozialarbeiterin - Veranstalterin - Redakteurin - Fotografin