Neujahrsgrüße aus Bukarest
Winter 1989 in Rumänien: Ein ganzes Land wartet insgeheim darauf, dass das sozialistische Regime zerbricht. Und doch spielen sie weiter mit. Bespitzeln Kollegen, fügen sich dem System, und hoffen auf eine bessere Zukunft. The New Year That Never Came erzählt den Anfang vom Ende einer Diktatur.
In Timișoara sind schon Schüsse gefallen, jeder weiß davon. Doch keiner darf es wissen, denn nur der verbotene Rundfunksender Radio Free Europe berichtet darüber. Es wird getuschelt und gescherzt, über Flucht, Widerstand und dass Onkel Nick sterben soll. Währenddessen wird in einem Fernsehstudio noch die schon lange aufgezeichnete Neujahrs-Sondersendung neu gedreht. Die berühmte Schauspielerin, die die Grüße an den Diktator Nicolae Ceaușescu eingesprochen hatte, ist aus dem Land geflüchtet. Sie darf also nicht mehr zu sehen sein. Man braucht Ersatz, und das vier Tage vor Weihnachten.
Regisseur Bogdan Mureşanu zeigt uns die letzten 24 Stunden des sozialistischen Paradieses. Wo ein kleiner Funken reicht, um das Pulverfass hochgehen zu lassen. Er erzählt in mehreren Episoden, wie kompliziert das Leben geworden ist, wie unzufrieden die Menschen sind, aber sich nicht trauen, etwas dagegen zu unternehmen. Jeder könnte ein Spitzel der Partei sein. Ein falsches Wort, und man verschwindet. Das eigene Kind kann einen verraten, das falsche Wort auf einer Bühne kann einen die Karriere kosten. Und vielleicht auch das Leben.
Ein langsamer Tanz
Mit viel Ruhe baut Mureşanu seinen Film auf, gemächlich entwickeln sich die verschiedenen Episoden und verflechten sich ineinander. So unterschiedlich die Probleme des TV-Regisseurs, der Schauspielern, des Fabrikarbeiters, des Studenten und des Parteisekretärs mit seiner Mutter auch sind, alle hängen irgendwie zusammen. Und während im Hintergrund über die letzten 15 Minuten Maurice Ravels Bolero sich langsam zum Höhepunkt aufbaut, so steigen auch die politischen und gesellschaftlichen Spannungen in Bukarest. Bis am Ende über 40 Jahre sozialistische Herrschaft zerplatzen, und das neue Jahr ohne den Diktator beginnen wird.
Fazit
Die Ohnmacht, in so einem Regime zu leben. Keine Perspektiven zu haben, der fehlende Mut, die Alternativlosigkeit. Das alles bringt Mureşanu auf tragisch-komische Weise auf die Leinwand. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass in diesem Dezember 1989 und auch in den Jahren davor viele Menschen beim Versuch, dem Regime zu entkommen, starben. Der Film endet allerdings mit dem Beginn der Revolution und erzählt die wahre Geschichte nicht zu Ende, der Ausgang ist ja bekannt. Aber The New Year That Never Came versetzt einen gut in die Zeit zurück, also die Ostblockstaaten zu bröckeln begannen.
The New Year That Never Came / Anul Nou care n-a fost
Regie: Bogdan Mureşan
Rumänien / Serbien, 2024, 138 Minuten, Rumänisch OmeU
Mit Adrian Vǎncicǎ, Andrei Miercure, Iulian Postelnicu, Emilia Dobrin, Nicoleta Hâncu, Mihai Cǎlin
filmfestival linz
29 april – 04 mai 2025
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