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Reflection in a Dead Diamond

Ein ehemaliger Spion, ein glitzerndes Meer und die Schatten der Vergangenheit: Der neue Film von Cattet & Forzani verwischt gekonnt die Grenzen zwischen Realität und Erinnerung – visuell überwältigend, erzählerisch herausfordernd und voll stilistischer Extravaganz

Irgendwo an einem glamourösen Luxushotel sitzt ein alter Mann an der Strandbar und denkt über sein Leben nach. Dass das nicht immer linear passieren muss, beweist uns der neue Film von Hélène Cattet und Bruno Forzani. Die beiden Filmemacher*innen sind bekannt für ihre Extravaganz – auch über Genregrenzen hinweg. Mit Filmen wie Der Tod weinte rote Tränen (L’étrange couleur des larmes de ton corps) oder Leichen unter brennender Sonne (Laissez bronzer les cadavres) haben sie sich einen festen Platz in der internationalen Filmlandschaft erarbeitet. Ihr Stil ist so markant und einzigartig, wie man es sonst nur von Regisseuren wie Wes Anderson oder Quentin Tarantino kennt.

The sea that sparkles like a diamond

Doch zurück zum einsamen Herrn am Strand: Mit einem Drink in der Hand sinniert er über seine glorreichen Jahre, in denen er jung war – ein Magnet für Frauen – und als Ex-Spion John D. im Dienst geheimer, diamanten glänzender Missionen stand. Die Routine seines Ruhestands ist festgefahren: täglich derselbe Platz, derselbe Drink.

Als jedoch seine Zimmernachbarin, die er schon länger beobachtet hatte, plötzlich spurlos verschwindet, erwachen seine alten Instinkte. John D. begibt sich in eigene Ermittlungen – doch der Zahn der Zeit hat Spuren hinterlassen. Realität und Erinnerung verschwimmen. Was ist echt, was entspringt seiner vom Alter gezeichneten Vorstellungskraft?

Der Protagonist verstrickt sich zunehmend in ein Geflecht aus aktuellen Ereignissen, Dämonen der Vergangenheit und halluzinatorischen Flashbacks. Die Grenzen zwischen Gegenwart und Erinnerung lösen sich auf, werden zu einem verwirrenden Traumgebilde.

Das Ding mit Flashbacks

Sie kommen selten einzeln – und fast nie chronologisch. So entführt uns der Film an die unterschiedlichsten Schauplätze im Leben von John D. Manche davon tauchen mehrfach auf – in verschiedenen zeitlichen Zusammenhängen – und fordern das Publikum zum Mitdenken heraus. Erst gegen Ende fügt sich allmählich ein Bild zusammen: Was hat John D. in seinem Leben so geprägt, dass er nun im hohen Alter von Flashbacks gequält wird?

Fazit

Kaum aus dem Kino raus denkt man sich: What the fuck war das gerade? – und mit dieser Reaktion ist man nicht allein. Der schnelle Schnitt, die markanten Bilder und das fantastische Farbdesign stehen in einem faszinierenden Kontrast zur schwer greifbaren Story. Die Kameraarbeit von Manu Dacosse ist meisterhaft, das Bühnenbild wie auch Maske und Ausstattung bleiben im Gedächtnis.

Ein Film voller Details, die man vermutlich erst beim zweiten oder dritten Mal so richtig entdeckt. Absurdität auf einem ganz neuen Level – und wer, wie ich, alte Eurospy-Filme mit einer ordentlichen Portion Wahnsinn liebt, ist hier genau richtig.


Reflection on a dead Diamond


Regie: Hélène Cattet, Bruno Forzani

87 Minuten, Französisch / Italienisch / EnglischOmeU

Mit Fabio Testi, Yannick Renier, Koen De Bouw und Maria de Medeiros


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filmfestival linz
29 april – 04 mai 2025
www.crossingeurope.at

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