WE are the Universe
Was, wenn du der letzte Mensch im Universum bist – und plötzlich antwortet jemand? Ty Kosmos verbindet Sci-Fi mit Herz und erzählt eine einsame, aber hoffnungsvolle Liebesgeschichte zwischen Sternenstaub und Sprachnachrichten. Berührend, skurril und überraschend aktuell.
Zugegeben, eine Lovestory im All bringt man nicht unbedingt mit dem Aussterben der Menschheit in Verbindung. Pavlo Ostrikov schafft es dennoch, mit Ty Kosmos eine berührende Geschichte zu erzählen.
Andriy (gespielt von Volodymyr Kravchuk) ist sogenannter Space-Trucker – seine Aufgabe: Atommüll zum Jupitermond Callisto bringen. Eine eher langfristige Angelegenheit. Zwei Jahre dauert die Reise zum Jupiter, zwei Jahre zurück. Kaum hat er seine radioaktive Fracht (zum Teil) abgeliefert, erreicht ihn die Nachricht: Die Erde ist explodiert. Sie existiert nur noch als Fragmente, die durch die Atmosphäre treiben – einige davon beschädigen sogar sein Raumschiff schwer. Andriy geht davon aus, der letzte Mensch im Universum zu sein.
Vier Jahre allein durch das Weltall zu reisen, kann selbst für stabile Gemüter überfordernd sein. Um die Stimmung aufzulockern (und als mentale Unterstützung), wird jedem Trucker ein KI-gesteuerter Computer zur Seite gestellt. Bei Andriy heißt dieser Begleiter Maxim. Gemeinsam leben sie – noch vor der Explosion – in den Tag hinein. Auch wenn Andriy in einem Raumschiff wohnt, ist sein Alltag überraschend eintönig: Neben den schlechten Witzen von Maxim beschränkt sich das Geschehen auf Essen, Bewegung und das Hören alter Schallplatten.
Monologe im Weltall
Andriy hat den Job bewusst gewählt, um sich von der Gesellschaft abzuwenden und in Einsamkeit zu leben. Für Schauspieler Volodymyr Kravchuk bedeutete das vor allem eines: viele Monologe. Und die gelten als Königsdisziplin im Schauspiel. Kravchuk beweist hier echtes Können. Völlig überzeugt davon, allein zu sein, schickt Andriy diverse, teils peinliche Nachrichten ins All.
Als seine Monologe plötzlich erhört werden, ist er zunächst völlig überfordert. Am Saturn – 700.000 Kilometer entfernt – befindet sich eine meteorologische Station. Dort lebt Cathrine, eine Französin, die ebenfalls die Explosion überlebt hat.
Liebe trotzt Verzögerung
Trotz holprigem Start und mangelhafter Kommunikation lernen sich die beiden über Sprachnachrichten kennen. Cathrines Antworten werden von Andriy sehnsüchtig erwartet – doch aufgrund der enormen Entfernung dauert es oft ewig, bis sie ihn erreichen. Nach und nach entsteht eine fast intime Verbindung, ausschließlich über Voice-Messages. Eine besonders emotionale Nachricht von Cathrine bringt Andriy schließlich dazu, sich auf den Weg zu ihr zu machen – trotz seines beschädigten Raumschiffs. Dass diese Reise alles andere als einfach wird, ist von Anfang an klar. Maxim versucht ihn noch davon abzuhalten – ohne Erfolg.
Unter schwierigen Umständen
Der Drehbeginn für Ty Kosmos liegt bereits sieben Jahre zurück – also fünf Jahre vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Etwa die Hälfte des Films konnte vor dem Krieg abgedreht werden, die andere Hälfte entstand mitten im Kriegsgeschehen. Es ist beinahe ein Wunder, dass der Film überhaupt fertiggestellt wurde. Ein Großteil der Crew wurde zur Verteidigung des Landes eingezogen – darunter auch der Verantwortliche für die Special Effects, der an der Front ums Leben kam.
Fazit
So sehr mich Sprachnachrichten im Alltag manchmal nerven, finde ich die Vorstellung einer Beziehung, die nur über gesprochene Nachrichten entsteht, in diesem Kontext sehr berührend. Ja, der Film hat ein paar logische Lücken und erinnert stellenweise an andere Science-Fiction-Werke. Aber auf vielen Ebenen – vom Setdesign über Motion Design bis hin zum Schauspiel – überzeugt Ty Kosmos durch Originalität und Tiefe. Diese neu interpretierte Robinson-Crusoe-Geschichte im All ist definitiv sehenswert.
Ty Kosmos / U Are the Universe
Regie: Pavlo Ostrikov
Ukraine / Belgien 2024
color, 101 Minuten
Ukrainisch / Französisch / OmeU / OmdU
Mit Volodymyr Kravchuk, Leonid Popadko, Daria Plahti Schauspieler:innen
filmfestival linz
29 april – 04 mai 2025
www.crossingeurope.at
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