Immer wieder 9 Monate
Einfühlsam und eindringlich erzählt 9-Month Contract die Geschichte einer georgischen Leihmutter – zwischen Hoffnung, wirtschaftlichem Zwang und Mutterliebe. Ein Dokumentarfilm, der berührt, hinterfragt und die komplexen Realitäten hinter einem lukrativen Geschäft offenlegt.
Die Kriegssituation in der Ukraine hat für manche Personen geschäftliche Möglichkeiten eröffnet, die gesellschaftlich nicht immer anerkannt sind. Die Ukraine war schon vor dem Krieg eines der Länder mit der höchsten Vermittlungsquote von Leihmüttern. Seit Putins Einmarsch hat sich auch Georgien als „gute Alternative“ etabliert – so zumindest schreiben es manche Leihmütter Agenturen. Immer wieder gab es Versuche, Leihmutterschaft gesetzlich zu verbieten. Der letzte Versuch 2023 scheiterte jedoch. Lediglich die Bedingungen wurden verschärft, legal bleibt es weiterhin – auch für ausländische Paare.
Um in Georgien Leihmutter zu werden, muss die Frau bereits ein Kind haben und darf nicht älter als 35 Jahre sein. Außerdem sollte sie ein mittleres sozioökonomisches Niveau vorweisen, um auszuschließen, dass finanzielle Not der Hauptgrund für die Entscheidung ist.
Gesetz eine Idealvorstellung
Die Geschichte von Zhana zeigt, dass Gesetze oft nur Idealvorstellungen abbilden – und die Realität anders aussieht. Zhana ist eine junge Mutter mit dem Ziel, ihrer Tochter Elene das bestmögliche Leben zu bieten. Filmemacherin Ketevan Vashagashvili kennt Zhana bereits aus einem früheren Kurzfilmprojekt. Die beiden trafen sich erstmals, als Zhana mit ihrer vierjährigen Tochter auf der Straße lebte – schon damals versuchte sie, trotz der Umstände das Beste für Elene zu ermöglichen. Durch den Kurzfilm konnte Geld für eine Wohnung gesammelt werden. Mit einem sicheren Zuhause kam auch ein Job – und damit erste Schritte in ein stabileres Leben.
Doch je älter Elene wurde, desto höher wurden auch die Lebens- und Ausbildungskosten. Neben ihrem Job nahm Zhana eine zweite Arbeit an, trotzdem reichte das Geld nicht. Die Leihmutterschaft wurde für sie zur finanziellen Überlebensstrategie.
Körperliche Schwerstarbeit
Fremde Kinder für unbekannte Menschen auszutragen, bringt den Körper an seine Grenzen. Mehrere Schwangerschaften in kurzer Zeit lassen kaum Raum für Erholung oder Heilung. Das Porträt von Zhana steht stellvertretend für viele Frauen, die diese Prozeduren im Stillen über sich ergehen lassen.
Zhana versucht, die Schwangerschaften vor ihrer Tochter zu verbergen. Elene soll nichts vom Leid mitbekommen, nicht damit belastet werden. Für Zhana war es zentral, dass ihre Entscheidung als Leihmutter keine Auswirkungen auf ihre Beziehung zu Elene hat. Doch durch Heimlichtuerei und Lügen über ihren Gesundheitszustand geschieht genau das Gegenteil. Diese bittere Lektion muss sie auf dem harten Weg lernen.
Verlust der Gebärmutter kostet extra
Die Filmemacherin begleitet Zhana über mehrere Jahre hinweg – inklusive mehrerer Schwangerschaften und Geburten. Von Geburt zu Geburt verschlechtert sich Zhanas Gesundheitszustand. Die Risiken steigen. Doch die Angst vor Armut zwingt sie immer wieder, das Risiko auf sich zu nehmen – bis es zum Verlust der Gebärmutter kommt.
Eine kurze Internetrecherche genügt, um zahlreiche Agenturen zu finden, die Leihmütter vermitteln – mit Preislisten und Zahlungsmodalitäten. Je nach Herkunftsland variieren die Preise. Komplikationen kosten extra. Auch der Verlust einer Gebärmutter ist aufgelistet – doch die Entschädigung deckt weder die physischen noch die psychischen Folgen.
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht
Zhanas selbstlose „Ich gebe alles für meine Tochter“-Mentalität kann für Elene zur Belastung werden – das ist sich Zhana nicht bewusst. Obwohl die Beziehung lange als liebevoll und tragfähig erscheint, zeigt der Film auch toxische Entwicklungen. Der Druck, perfekt zu sein und die unerfüllten Träume der Mutter zu verwirklichen, steigt ins Unermessliche. Elene erlebt nicht nur den Druck, sondern auch, wie schlecht es ihrer Mutter geht – und ist gleichzeitig machtlos. Ihre einzige Möglichkeit, beizutragen, bleibt schulischer Erfolg.
Erst ein längerer Prozess der Reflexion und des Gesprächs bringt Bewegung in diese Dynamik. Der Film endet mit einer vorsichtigen, aber hoffnungsvollen Wende.
Fazit
Für mich war der Film 9-Month Contract Anlass, mich tiefer mit dem Thema Leihmutterschaft auseinanderzusetzen. Genau das sollte eine gute Dokumentation erreichen – dass man sich intensiver mit einem Thema beschäftigt.
Auch nach längerer Recherche bin ich unschlüssig, wie ich zu Leihmutterschaft stehe. Einerseits finde ich es wichtig, Frauen diese Option zur Selbstbestimmung zu geben. Andererseits sehe ich die Gefahren: die Ausnutzung armutsgefährdeter Frauen, unzureichende medizinische Versorgung, die Monetarisierung weiblicher Körperfunktionen. Kritisch sehe ich auch, dass nur heterosexuelle Paare über Agenturen Leihmütter engagieren dürfen.
Die Nähe der Filmemacherin zum Geschehen, die authentischen Aufnahmen und die Geschichte von Zhana und Elene machen den Film besonders – und absolut empfehlenswert.
9-Month Contract
Regie/Kamera: Ketevan Vashagashvili
Georgien / Bulgarien / Deutschland 2025
79 Minuten, Georgisch OmeU
filmfestival linz
29 april – 04 mai 2025
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