Crossing Europe 2018: Germania

Lion Bischof gibt mit seinem Film Germania am Crossing Europe Filmfestival einen guten Einblick hinter die Gemäuern der schlagenden Burschenschaft Germania. Auf einer sachlichen Ebene werden die Traditionen und Rituale aus der Sichtweise der Studenten näher beleuchtet. 

Die Wandporten der Studentenverbindung Germania sind mit Löwen verziert. Abwechselnd einmal mit offenem Maul und mit geschlossenem Maul. Dies steht für die Meinungsfreiheit drinnen und die Verschwiegenheit nach draußen. Lion Bischof hat sich zur schlagenden Verbindung in München Zugang verschafft und begleitet mit einem Filmteam die Burschen bei ihren Trinkfeiern und wöchentlichen Sitzungen, bei der sportlichen Ertüchtigung und der ersten Mensur.

Die Meinungen über Burschenschaften gehen gerade in meiner sozialen Bubble in eine klare Richtung – Burschis (außer die Hysteria) sind scheiße. Von außen betrachtet, stehen schlagende Buschenschaften wie die Germania aus München, für ein festgefahrenen traditionelles Weltbild und befinden sich politisch gesehen eher im rechten, nationalistischen Sektor. Nicht ohne Grund besteht also die Freiheitliche Partei Österreichs zu einem guten Teil aus (ehemaligen) Burschenschaftern.

Mit dem Film bekommt man die Chance, so einen Corps aus der Sicht der Studenten kennen zu lernen. Klar stehen einem bei so manchen Aussagen oder Bräuchen sämtliche Haare zu Berge und viele solcher Äußerungen würde ich in einem Gespräch nicht tolerieren – aber dafür gibt es ja den Löwen mit dem geschlossenen Maul.

Für die Studenten ist die Verbindung eine Art Schule, wo die Adoleszenzphase hinter einem gelassen werden kann und man erwachsen wird. Eine Schule, die einem zu einem richtigen Mann macht. Im Film wird das hierarchische Gefüge innerhalb der Burschenschaft klar herausgearbeitet. Vom Fuchs (jungen Mitglied), der die Aufgabe des Laufburschen innehat, bis hin zum „Chef“, der sämtliche Sitzungen leitet, ist für jedes Mitglied klar, wo er steht – und welche Aufgaben er zu erledigen hat.

Beim Schauen des Filmes wird einem schnell bewusst, welchen erschreckend hohen Stellenwert der Alkohol in diesen Verbindungen hat. Kistenweise wird Bier und Co in den alten Kellern gelagert und zu jeder erdenklichen Art der Zusammenkunft getrunken. Selbst beim Unterricht der Füchse darf die Halbe Bier nicht fehlen – bzw. wird das Trinken von Alkohol auch als Disziplinierungsmethode verwendet. So hat ein junger Fuchs den Sessel nicht richtig zurückgestellt  – die Strafe dafür war eine halbe Bier zu exen. Wie sehr diese Art der „Erziehung“ fruchtbar ist, ist fraglich.

Was noch sehr deutlich im Film hervorgehoben wird, ist das enorme Gemeinschaftsgefühl zwischen den Mitgliedern, auch in den unterschiedlichen Altersgruppen. Zwischen Füchsen und Alte Herren. Dieses wird durch gemeinsame Aktivitäten wie Veranstaltungsplanungen und -durchführungen oder Ausflügen wie etwa zu befreundeten Burschenschaften verstärkt. Ebenso wird es durch die Tatsache gestärkt, dass das Haus auch eine Wohnmöglichkeit bietet. Eine Burschenschaft ist ein riesiges komplexes Netzwerk, das sich auch nach dem Studium gegenseitig unterstützt  – mit etwa der  in Österreich bestens bekannten Freunderlwirtschaft bei Jobangeboten oder anderen Ausschreibungen.

Was neben dem Alkohol fast einen genauso großen Stellenwert hat ist der Sport bzw. das Fechten. Regelmäßige Trainingsstunden bereiten Mitglieder auf die Mensur vor. Welche als „Top-Event“ gefeiert wird und als wichtiges Ereignis für den männlichen Reifeprozesses gesehen wird und einem Mut gibt, schwierige Situationen im Leben zu meistern.

Lion Bischof zeigt mit seinem Film aber auch, dass Burschenschaften, Corps und andere Studentenverbindungen seit vielen Generationen Teil unserer Gesellschaft sind und auch einen großen Einfluss auf diese haben.

Ein Film, den ich persönlich nur weiterempfehlen kann, es gibt einen Einblick in eine Organisation, welche sich normal eher verdeckt hält. Es wird nachvollziehbarer, warum manche Rituale schon seit Jahrhunderten Tradition haben – was aber immer noch nicht heißt, dass man dies auch akzeptieren oder gar gutheißen muss.

GERMANIA
Lion Bischof
Deutschland 2018
DCP / coor
77 Minuten
Deutsch
OmeU

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