Crossing Europe 2021: Surviving Gusen
Die Hälfte der 71.000 Menschen, die in das Lagerkomplex Gusen deportiert wurden, starb durch die Hand der Nationalsozialisten – die Filmemacher Gerald Harringer und Johannes Pröll machten es sich zur Aufgabe, mit ihrem Film „Surving Gusen“ wieder den Fokus auf die Thematik zu richten.
Gusen: das größte Konzentrationslager in Österreich. Es ist seit der Befreiung etwas in Vergessenheit geraten. Einige Länder und wenige Bewohner*innen des Ortes haben sich engagiert, dass dieser Ort des Verbrechens einen Platz in unserer Erinnerungskultur hat. Die Filmemacher Gerald Harringer und Johannes Pröll hatten das Ziel die Geschichte rund um Gusen wieder in den Fokus der Gesellschaft zu rücken.
Anhand von den Biografien und Erzählungen drei Überlebenden, Experten*innenberichte und Gendarmerieprotokollen wird versucht die grauenhafte Historie des Konzentrationslagers in 68 Minuten zu erklären. Karl Littner, Stanislaw Leszczynski und Dušan Stefančič sind die drei Männer, welche das Lager überlebt haben – oder wie sie Gusen beschreiben: die Hölle der Hölle. Wenn man heute nach Gusen kommt, erinnert nur sehr wenig an die Zeit vor 1945. Schöne Einfamilienhäußer mit Blumenschmuck, Pools und schönen Gärten stehen dort, wo einst sich der Lagerkomplex von Gusen I, II und III stand. Nur wenn man genau hinschaut, erkennt man an manchen Ecken noch die Vergangenheit. Hier wird auch im Film mit Hilfe von alten und neuen Fotos versucht, einen örtlichen Zusammenhang in Gusen mit der Vergangenheit zu schaffen.
Mehr als die Hälfte der 71.000 Menschen, die nach Gusen deportiert wurden, kamen durch den nationalistischen Terror ums Leben. Tod durch Arbeit, Unterernährung, Krankheit, Vergasung, Giftinjektion und Folter waren die Mittel, mit denen unzählige Menschen ermordet worden sind. Bis zum letzten Kriegstag wurde in den Stollen von Gusen, bekannt unter dem Namen „Bergkristall“, unter besonders schlechten Bedingungen Waffen und Flugzeuge erstellt. Um die Zahl etwas zu verbildlichen: jeder Meter im Stollen kostetet ein Menschenleben.
Der Film überzeugt neben den bewegenden Geschichten vor allem durch die bildgewaltigen Kameraaufnahmen der Drohnen und einem außerordentlich guten Sound. Wolfgang Dorninger erzählt selbst im Anschluss des Filmes, dass ihm dieses Projekt besonders unter die Haut ging – und er deswegen darauf geachtet hat, mit der Musik Räume zu öffnen und den Zuschauer*innen die Möglichkeit geben wollte, sich die jeweilige Situation auch im Kopf bildlich vorzustellen. So ist der Sound vor allem von ratternden Zuggeräuschen und kaltem, windigem, Wetter geprägt.
Wir leben in einer Generation, welche oft keinen direkten Zusammenhang mit den Gräueltaten der Nationalsozialisten mehr herstellen kann. Wo zwar jede*r mal mit der Schule in der Gedenkstätte Mauthausen war, aber alles, was darüber hinaus geht, nicht mehr direkt zum Allgemeinwissen zählt. Mittlerweile spricht man auch in manchen Fällen wie zum Beispiel im Fall Gusen von der „Geschichte der Vergessenen“ – umso schöner ist es, dass sich die beiden Filmemacher der Verantwortung stellen und mit ihrem Heimatfilm „Surving Gusen“ die Geschichte weitertragen.
Umso schöner ist es, dass heuer beschlossen wurde, das alte Areal rund um Gusen von der Bundesrepublik Österreich angekauft werden soll und somit das Areal als Gedenkort für die Angehörigen der vielen Opfer gestaltet werden soll.
Surviving Gusen
Gerald Harringer, Johannes Pröll
Österreich 2021
68 Minuten
Deutsch / Englisch / Polnisch
OmdU
www.crossingeurope.at