Kurzfilm Diagonale
Foto: Cornetto im Gras © Vincent Seidl

Kurzfilme mit Pferd, Gschichtl, Hochzeit und Punk

Der diesjähriger Preisträger des Diagonale-Preis Kurzspielfilm ist Cornetto im Gras von David Lapuch. Im selben Filmprogramm (Kurzspielfilm 4) gezeigt, drei weitere Schmankerl über die Liebe, Gschichtln, Freund*innenschaft und Musik. Vier verschiedene Szenen in die sich für kurze Zeit eintauchen lässt. 

gschichtl

Spielfilm kurz, AT 2022, digital, 28 min, OmeU, R.: Franz Quitt

Hans, daheim in seiner Wohnung. Masturbiert wie vor einem Altar. Dann ruft Helene an. Er lässt sie rein und sie reden über den letzten Abend, den sie gemeinsam verbracht haben. Die Situation war komisch, es hat sie jemand EIN PAAR genannt. Für Helene ist klar, dass will sie nicht, Hans schon vielleicht. Sie machen Schluss, reden darüber, reden über sich, über ihre Unsicherheiten und was gewesen wäre, hätte Hans damals bei ihr angeläutet als er mitten in der Nacht kacken musste.

Das Gespräch zieht sich über Label, Ängste und Beziehungsmuster. Sie haben sich gern, aber dann doch nicht romantisch oder? Sie scherzen über Exkremente und den quietschenden Drahtesel. Im Gespräch wird klar wie wenig sich die beiden kennen, vor allem Hans sich selber. Dem Publikum werden white lies, die Hans erzählt, um sie nochmal davon zu überzeugen, entlarvt. Helene merkt an, er wisse ja selber nicht was er will. Er glaubt er machts für sie, doch tut er’s nur für sich. Der Film fängt den unangenehmen Moment des Schlussmachens ein. Er hält die Lügen oder Halbwahrheiten die wir uns selber und unseren Partner*innen erzählen fest. Gschichtl zeigt die echte Nähe und die große Distanz zwischen zwei Mittzwanzigern in Wien die ein Gschichtl haben oder hatten. 

Voodoo Jürgens – Federkleid

Musikvideo, AT 2022, digital, 5 min, kein Dialog, R.: Hannes Starz, Marianne Andrea Borowiec, Voodoo Jürgens

Ein Leichenschmaus und eine Hochzeit, ein Musikvideo von Voodoo Jürgens. In Dreierregie entstanden zum Liedtext von Federkleid. Ein junges Paar und ein romantischer Doppelsuizid gepaart mit einer Reise durch die Zeit und eine Ehe. In die Weinberge Niederösterreichs, auf die Tanzfläche, zum Esstisch, ins Sterbebett. Schönes Video, schönes Lied. Als kleinen Gag obendrauf, glaubten dank eines Instagramfotos zum Video vor einigen Monaten Fans, dass Voodoo Jürgens tatsächlich verheiratet ist. Die Glückwünsche waren zahlreich, Glückwünsche zum Video sind dennoch mehr wie angebracht, auch wenn die Hochzeit nur inszeniert. 

Bye Bye, Bowser

Spielfilm kurz, AT 2023, digital, 20 min, OmeU, R.: Jasmin Baumgartner

Ein Film erstanden aus Lieblingsdingen, wie Baumgartner sagt, Nina Hagen, Punk, Partys, Friends. Mit eingeflossen in das Ganze ist ein Gespräch mit Martin Grandits in der Praterstraße (iykyk), in welchem sich Baumgartner nach langer Wienabwesenheit, zu recht, fragte warum die Leute in Wien so gemein zueinander sind. Grandits meinte, naja, sie sind zwar gemein, aber am nächsten Tag hängen sie trotzdem wieder mit den gleichen Leuten rum. Also ist doch irgendwie beruhigend, wenn wir uns immer anmotzen und dann wieder lieb haben können?

So circa geht es der Protagonistin Luna auch, sie hat keinen Bock mehr auf die immer gleichen Partys, die gleichen Leute, das bis in die morgendlichen Sonnenstunden hineinkoksen. Nur zu gut, dass direkt gegenüber von ihrem Fenster Laugo auf der Baustelle arbeitet. Sie schreibt einen Song über ihn, ihren Baustellen Boy. Sie betoniert sich zu, spielt ihren Song vor, sie treffen sich. Zwei Welten aufeinander, tatsächlicher Arbeiter und woke Kunstkids.

Der Film spielt hauptsächlich auf einer Party in Lunas Wohnung. Die selben Wiener gestalten Musik, Kunst, Gemälde die niemand will, und Kunstprojekte die exkludierend in ihrer Kritik sind. Lunas Punk Style ist mit Smiley Stickern im Gesicht, wie die Regisseurin selbst sagt, am Rande der Peinlichkeit. Ein anderer Partygast schleppt seine riesige Kerkerkugel als Kritik an. Und Laugo? Was er muss morgen wirklich arbeiten? Hör doch einfach auf damit, du unterstützt die Bauindustrie.

Wiener Kunstbubble und deren Arbeiter*innenfixation. Viel Musik. Lines selten aus so vielen Winkeln gesehen. Die Party hörte mit dem Film nicht auf, die Band The Sentimental Fail Club House Band, mit Schauspielern des Filmprojektes, spielte am Donnerstag im p.p.c. auf der Diagonale Afterparty, danach legte noch der Hauptdarsteller auf, der natürlich auch DJ ist. 

Cornetto im Gras

Spielfilm kurz, AT 2023, digital, 30 min, OmeU, R.: David Lapuch

Opa trinkt Schnaps und wenn der Enkel nicht mittrinkt, dann trinkt die Vogelspinne, Gitti, einen Kurzen mit. Opa legt sich schlafen und schaltet den Fernseher ein. Keinen Sender, er mag nur das Rauschen, dass er die Uhr nicht so laut hört. Seit die Oma nicht mehr ist, hört er die Uhr so laut. Sein Enkel trifft neben seinem Auto auf ein Pferd. Wenig später lernt er bei seinem Würstelstand die Besitzerin oder zumindest die Aufpasserin des Pferdes kennen. Die zwei fahren zum Pferd.

Am Würstelstand entfacht zwischen Dosenbier und Sportplatz das spannendste Nachspeisen Battle dieses Dorfabends: Tiramisu mit Ei gegen Eis. In nur wenigen Minuten werden voller Dorfschmäh die Zwangsfreund*innenschaften des kleinen Ortes portraitiert. Das Anbandeln und Anfauchen am Standl beim Sportplatz. Die halb bis ganz Besoffenen, die BumBum schleckenden, die gescheiterten Pferdeaufpasserinnen treffen sich alle am Sportplatz am Würstlstand, wo denn sonst. Sie fahren über den Abend zwischen Opa, Mixer, Würstlstandel, Anbandelung, Freund*innenschaft und Pferdemetaphern hin und her und zueinander. Ausgefeilte Landfigürchen, betrunkene Vogelspinnen, entlaufene Pferde und Cornetto am Fußballrasen. 

David Lapuch bat gefühlt den halben Kinosaal auf die Bühne, namentlich genannt.


Diagonale Fahnen über Graz

Diagonale 23: Sehnsucht ahoi!

Es geht wieder los! In Graz eröffnet mit der Diagonale 2023 die österreichische Film-Festivalsaison. Jeder, der kann, lässt sich Blicken, eine Premiere folgt auf die nächste.

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Diagonale 2023

Festival des österreichischen Films
21.–26. März 2023, Graz
www.diagonale.at

in wien und anderswo zwischen kunst & kultur, film & theater