Kriegsbilder im Internet - Junge Frau mit Handy
Foto: Becca Taper

Kriegsbilder im Internet – wer schützt die Kinder?

Februar 2022: Putin fällt in die Ukraine ein, eine Flutwelle an Kriegsbildern schockiert die Welt. Oktober 2023: Die Hamas stürzt sich auf Israel, die nächste Flutwelle an traumatisierenden Inhalten überschwemmt die sozialen Medien. Kinder und Jugendliche können sich Bilder von Entführungen und Morden ungefiltert, immer und immer wieder im Internet anschauen. Aber wie steht die Politik dazu und können Gesetze helfen? 

In einem Interview mit der NZZ (Neue Züricher Zeitung) spricht die Neurowissenschaftlerin Maren Urner über die Folgen von intensivem Medienkonsum nach Katastrophen. Laut Urner führt bei manchen Menschen die große Menge an traumatisierenden Inhalten zu einer psychischen Überforderung, die weitreichende Konsequenzen mit sich bringen kann. Sie führe beispielsweise zur Abstumpfung oder Nachrichtenvermeidung. „Das ist ein Riesenproblem für die Demokratie, wenn die Leute ganz aufhören, sich zu informieren.“ 

Die Wissenschaftlerin vermutet, dass Inhalte, die man über das Internet konsumiert, große Auswirkungen auf unsere Psyche haben könnten. Sie weist auf eine Untersuchung nach den Anschlägen auf den Boston-Marathon 2013 hin. Hier wurde bei den Menschen, die das Ereignis medial mitverfolgten, kurz- und langfristig mehr psychischer Stress festgestellt als bei jenen vor Ort. 

Das menschliche Hirn sucht nach Stimulation und über das Internet ist das nächste, genauere und detailreichere Bild nur einen Klick oder Swipe entfernt. Selbst einzuschätzen, was ein hoher Konsum an traumatisierenden Inhalten mit der eigenen Psyche macht, fällt schon Erwachsenen schwer. Wie können nun Kinder und Jugendliche vor diesem Problem geschützt werden?

Von Brüssel kommen die Gesetze

In der Politik hat man dieses Problem bereits mehr oder weniger erkannt. Auf EU-Ebene wurde der „Digital Services Act“, kurz DSA, im Oktober 2022 veröffentlicht. Ab 2024 muss dieses Digitaldienstleistungsgesetz in den Mitgliedsstaaten umgesetzt und in das nationale Recht übernommen worden sein. 

Der DSA zielt darauf ab, die Belastung durch illegale Inhalte zu verringern und greift regulierend ein. Unter anderem soll sich die Sicherung grundlegender Rechte verbessern. Außerdem soll man mehr Kontrolle über persönliche Informationen bekommen. Darüber hinaus wird der Schutz für Kinder, die in der digitalen Welt unterwegs sind, priorisiert. 

„Der DSA reicht nicht aus“

Helmut Brandstätter, NEOS-Abgeordneter zum Nationalrat, und Andreas Schieder, SPÖ-Abgeordneter im Europäischen Parlament, teilten im Rahmen eines Interviews ihre Ansichten zum DSA mit. Brandstätter spricht von einem weltweit großen Ungleichgewicht zwischen Propaganda und gutem Journalismus und betont, dem man nur auf EU-Ebene begegnen kann. Die europäische Kommission verbessere sich zwar stetig darin, große amerikanische Konzerne zu kontrollieren und auch zu bestrafen, aber aus Sicht Brandstätters müsste sie jedoch noch mehr machen.

Dies sei jedoch ein schmaler Grad zur Zensur und daher ein schwieriger und langwieriger Prozess in der Gesetzgebung. Die Zukunft sieht Brandstätter in der richtigen Verwendung von künstlicher Intelligenz und sagt: „Nur künstliche Intelligenz wird künstliche Intelligenz kontrollieren können. Wie wir sie einsetzen, müssen wir gesetzlich festlegen.“ Tatsächlich entsteht gerade ein neuer gesetztes Entwurf zur Regulierung von künstlicher Intelligenz auf EU-Ebene. 

Eltern oder Politik

Digitale Plattformen sollen für ihre Inhalte und den Content, der auf ihnen publiziert wird, verantwortlich gemacht werden. Das empfindet Andreas Schieder als große Verbesserung des DSA. „Was im echten Leben verboten ist, muss auch im digitalen Leben verboten und strafbar sein. Dass das neue Digitaldienstleistungsgesetz in Bezug auf die kursierenden Kriegsbilder nicht ausreicht, davon ist allerdings auch er überzeugt. Die Verantwortung für den digitalen Schutz von Kindern sieht er im Elternhaus und in den Schulen. Wobei seiner Meinung nach, ein Manko an Unterstützung für Familien und Lehrkräfte besteht. Kindern und Jugendlichen rät er, sich bei jenen Medien zu informieren, bei denen Informationen von Journalistinnen und Journalisten gecheckt und Zusammenhänge erklärt werden.

Was wirklich hilft 

Tatsächlich zeigt eine Studie von Saferinternet.at, dass Jugendliche ihre Informationen zu aktuellen Ereignissen hauptsächlich von sozialen Medien entnehmen. Laut dieser Untersuchung ist ihnen aber durchaus bewusst, dass diese nicht unbedingt eine verlässliche Quelle darstellen. 

So komplex dieses Thema ist, so wichtig ist es auch. Der Schutz von Kindern im Internet muss für alle Verantwortlichen in Politik, Bildung und Erziehung eine Priorität werden. Der DSA war ein Anfang, doch die Politik wird sich an das Tempo der neuen Techniken gewöhnen müssen. Kindern den richtigen Umgang mit eigenen Informationen und den teilweise sehr irreführenden und brutalen Inhalten im Internet zu lernen, sollte eine Selbstverständlichkeit werden. Es müssen sich alle ihrer Verantwortung stellen: Eltern, Lehrkräfte, Politik und auch die digitalen Plattformen selbst.

Für alle, die sich zum Thema „Kinder und Jugendliche im Netz“ informieren wollen, ist Saferinternet.at eine gute Anlaufstelle. Gerade für Eltern und Lehrkräfte, die hier Handlungsbedarf sehen, bietet diese Webseite viele wichtige Informationen. 


Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Fortbildungsprogramms des Europäischen Parlaments und der Weiterbildungseinrichtung forum journalismus und medien (fjum) entstanden.

Für den Kopf im Labor, für die Seele am Schreiben. Wenn ich über ein gutes Buch rede, einfach unterbrechen. Das könnte sonst lang dauern.