Stefanie Sargnagel beim Interview am Acoustic Lakeside Festival

Dicht – das aktuelle Buch von Stefanie Sargnargel

Dicht ist das Roman-Debüt von Stefanie Sargnagel. In dem Buch erzählt sie auf authentische Weise, wie es so ist, als Jugendliche in Wien in den 2000ern den Versuch zu starten, erwachsen zu werden.

Spät aber doch möchte auch ich meinen Senf zum neuen Sargnagel-Buch geben. Nachdem mich das Buch schon seit Wochen auf meinem Schreibtisch erinnert besprochen zu werden, versuche ich es heute mal mit einer kleinen Zusammenfassung der „Aufzeichnungen der Tagesdiebin“.

In einem Interview fragte ich Stefanie Sargnagel mal, was sie ihren Enkeln so über ihre Jugend erzählen würde, ihre Antwort war damals:

„Keine Ahnung. Da habe ich noch nie drüber nachgedacht. Wahrscheinlich recht ehrlich, alles irgendwie, glaube ich. Ich hätte glaub ich schon ziemlich viele Geschichten zu erzählen und wahrscheinlich ist dann die Welt schon wieder ganz anders. Wahrscheinlich werde ich vom analogen Telefon erzählen, oder von solchen Sachen.“ 

Auch wenn die 1986 geborene Autorin noch lange keine Großmutter ist, ist sie sich ihrem Satz von damals treu geblieben und hat sich die Mühe gemacht, die vielen Geschichten aus ihrer Jugend in dem Buch „Dicht – Aufzeichnungen einer Tagesdiebin“ zusammenzufassen und uns ihre adoleszente Phase in Form eines Romans zu erzählen. Lustigerweise wird auch die Zeit ohne Handy erwähnt, wo es nur Kontakt über ein Festnetztelefon gab. Stefanie Sargnagel studierte an der Akademie der Bildenen Künste in Wien und ist seit 2016 freischaffende Autorin.

„Dicht“ ist ihr Romandebüt, ist Ende 2020 im Verlag Rowohlt erschienen und kletterte gleich auf den zweiten Platz der Bestsellerliste in Österreich, auch für FM4 gilt das neue Werk von Sargnagel als außergewöhnlich und sie ernannten es zum „Buch des Jahres 2020“.

Der Roman ist eine Autobiografie und neben der Autorin gibt es weitere Protagonist*innen wie Michi und Sarah. Michi wird als Überlebenskünstler und bester Gastgeber beschrieben, seine Wohnung ist eine oft beschriebene Kulisse im Buch und auch Zentrum vieler Aktionen. Sarah ist eine Schulkollegin, welche (fast) immer an der Seite der Hauptprotagonistin steht und mit ihr die Abenteuer bestreitet. Neben diesen beiden begleiteten Stefanie Sargnagel noch unzählige andere Personen, die sie so mal so eben im Park oder im Beisl kennenlernte.

„Wir wollten nicht cool sein und irgendwas darstellen“ ist einer der Sätze, mit denen Stefanie Sargnagel ihre Clique beschreiben möchte – ein Haufen voller unterschiedlicher Charaktere mit einer großen Portion „Scheiß-drauf-Mentalität“. Dass Stefanie mit dieser Einstellung und dem Bedürfnis, ihre kritischen Gedanken frei zu äußern, bei den Lehrer*innen nicht unbedingt beliebt war, liegt wohl auf der Hand. Sie besuchte damals die Oberstufe eines als relativ „brav“ beschriebenes Gymnasiums, wo auch Kinder aus der gehobenen Schicht zu finden waren. Da sich ihre inneren Vorstellungen nicht mit dem engen Wertekorsett des Gymnasiums vereinbaren ließen, schwänzte Stefanie immer häufiger den Unterricht, bis es zu einem Abbruch der Ausbildung kam.

Die Angst, etwas in der „Szene“ zu verpassen, war mit ein Grund, warum Parks, Beisln und die Wohnung vom Michi oft dem Klassenzimmer vorgezogen wurden. Umgeben von Menschen mit viel Lebenserfahrung und Alkohol bzw. Drogen fühlte sie sich um einiges wohler. Sie erzählt im Buch von verschiedenen Kontakten mit obdachlosen Menschen, Dealern, Prostituieren, psychisch kranken Menschen und Punks. Es entstanden Freundschaften, die nicht der Norm entsprachen und trotzdem wertvoll waren. Stefanie beschreibt intellektuelle, politische Diskussionen im Park vor der Votivkirche oder tiefgründige Gespräche über Songtexte oder Bücher. In einem Milieu wie diesem standen auch Alkohol und Drogen (zum Großteil nur Gras) auf der Tagesordnung.  Stefanie Sargnagel verheimlicht ihren eigenen Konsum hier nicht, sie beschreibt es klar als ein Teil des Alltages und bleibt hier aber wertfrei. Genauso wertfrei beschreibt sie ihre Freundschaften in der doch etwas verschrienen Szene außerhalb der „Leistungsgesellschaft“.

Die Handlung hantelt sich so chronologisch durch die Jugend von Stefanie Sargnagel – von einer Geschichte zur anderem, von einem Abenteuer zum anderen und von einer Bekanntschaft zur nächsten.

Persönlich hat mich das Buch sehr beeindruckt. Als junge Frau im ähnlichen Alter haben mich so manche Sachen schon auch an meine eigene Jugend erinnert, gerade zu Beginn der Geschichte, wo es viel um politische Einstellungen, Kritik an der Schule und „aufgeklärte“ Diskussionen ging, fand ich mich wieder. Ich kann mich aber auch noch gut an den Moment erinnern, wo es mit den Parallelen aufhörte und sich die Biografie von Stefanie Sargnagel doch klar in eine andere Richtung entwickelte. Wo es mir quasi zu „hart“ wurde und eher meine Instinkte als Sozialarbeiterin gefordert wurden. Gerade dort, wo es erkenntlich wird, dass sich ihr Leben in eine Spirale abwärts entwickelt.

Warum ich das Buch unter anderem so schätze, ist die Wertfreiheit, welche die Autorin hier an den Tag legt. Sie beschreibt die Szene aus einem wertschätzenden Blickwinkel und zu keinem Moment hat man das Gefühl, sie würde gewisse Personen bloß stellen. Ich bewundere auch die Art, wie Stefanie Sargnagel auf Menschen zugeht. Ohne irgendwelchen Vorurteile und komplett unbeschwert bewegt sie sich bereits als Jugendliche durch die oft als gefährlich beschriebene Szene und verbaut sich so keine Chancen, die Person hinter dem Klischee kennenzulernen. Natürlich gab es auch Momente, wo ich beim Lesen den Atem angehalten habe und mir dachte, das könne nicht gut ausgehen, was es aber doch immer tat. Aber vielleicht sollten wir uns hier ein Beispiel nehmen und ein bisschen sorgloser durch unser Leben spazieren. Gerade dieser Lebenseinstellung ist es zu verdanken, dass wir einen wunderbaren unterhaltenden Einblick in die Jugend von Stefanie Sargnagel bekommen.

Dicht – Aufzeichnungen einer Tagesdiebin
Autorin: Stefanie Sargnagel
Roman
Verlag: Rowohlt
Hardcover
Seiten: 247

€ 20,60

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