Liegewagen im neuen Nightjet der ÖBB
Foto: ÖBB / Harald Eisenberger

Nachtzugreisen – Schlafen im Hotel auf Schiene

Wenn am 10. Dezember 2023 der neue Zugfahrplan in Kraft tritt, feiert auch die neuste Nachtzug-Garnitur der ÖBB ihre Premiere. Ein fahrendes Hotel, auf das viele schon lange gewartet haben. Denn die Reise in der Nacht hat Charme und viele Fans sind, nicht nur mit den ÖBB, in ganz Europa mit Nachtzügen unterwegs.

Jedes Jahr am zweiten Sonntag im Dezember werden europaweit die Zugfahrpläne umgestellt. Es gibt veränderte Abfahrtszeiten, neue Verbindungen (leider auch immer wieder gestrichene), aber auch neue Zuggarnituren treten ihren Dienst an. Der jährliche Fahrplanwechsel bringt einige Neuigkeiten. So eben auch die neuen Nightjets der ÖBB. Insgesamt wurden 33 Garnituren bestellt, aber die Lieferung verzögerte sich um Monate und Jahre. Nun sind die ersten Züge von Wien bzw. Innsbruck nach Hamburg unterwegs.

Davor waren Probefahrten notwendig, um überhaupt eine europaweite Zulassung für die Nachtzüge der neuesten Generation zu bekommen. Neu sind die Mini Cabins für Alleinreisende und ein Abteil für bis zu zwei Rollstuhlfahrer:innen mit zwei Begleitpersonen. Gesamt hat die Garnitur mit zwei Schlafwagen, drei Liegewagen, einem Multifunktionswagen sowie einem Sitzwagen (der ist gleichzeitig der Steuerwagen) Platz für 254 Reisende. Wem das jetzt schon zu kompliziert ist, wird von der ÖBB noch etwas mehr verwirrt, denn insgesamt gibt es sechs Komfortkategorien zu unterschiedlichen Preisen. Das hat Zugpost.org hier ganz gut erklärt. Aber wir müssen froh sein, dass die ÖBB die Nachfrage erkannt hat und als eines der wenigen staatlichen Eisenbahnunternehmen in Europa das Angebot hier laufend ausbaut.

Unterwegs im fahrenden Hotel

Zugegeben, der Komfort ist vielleicht nicht immer derselbe. Aber auch das hängt, wie in einem richtigen Hotel, vom eigenen Budget ab. Denn in Europa sind wieder noble Reisezüge wie der Orient Express unterwegs, eine Reminiszenz an den großen Boom der Eisenbahn im späten 19. Jahrhundert. Aber in einer Zeit, die von bewusstem und nachhaltigem Reisen geprägt ist, erleben auch „normale“ Nachtzüge gerade eine bemerkenswerte Renaissance. Das sanfte Rattern der Schienen, das gedämpfte Licht der Waggons und die verführerische Vorstellung, während des Schlafs neue Abenteuer zu beginnen – Nachtzugreisen bieten nicht nur einen Weg von A nach B, sondern eine reale Zeitreise durch Landschaften und Städte. So wird die Anreise schon Teil des Urlaubs. Man kommt entspannt an und spart sich eine Nacht im Hotel. Das entschleunigt und ist auch umweltfreundlich. Zugreisen bedeuten nicht nur weniger CO₂-Ausstoß, sondern auch ein intensiveres Erleben der Strecken und eine direkte Ankunft mitten im Geschehen der Stadtzentren (anstatt eine Autostunde oder mehr außerhalb).

Der neue Nachtzug der ÖBB
Foto: ÖBB / Harald Eisenberger

Infrastruktur nutzen

Europa, ein Kontinent dicht wie kein anderer, mit einem Schienennetz, das sich zwischen Portugal und Russland, Norwegen und Griechenland über fast 300.000 Kilometer erstreckt – fast achtmal um die Welt. Hier steht alle paar hundert Kilometer eine Hauptstadt samt Hauptbahnhof, im Herzen der Stadt. In den letzten 150 Jahren wurde eine Infrastruktur geschaffen, die heute weder planbar noch durchsetzungsfähig wäre. Sie ist da, sie ist fertig und sie kann genutzt werden – auch und gerade nachts.

„When we all fall asleep, where do we go?“, fragt Billie Eilish, und die Antwort lautet: quer durch Europa. Von einer Stadt zur nächsten, von einer Kultur zur anderen, wechseln wir die Sprache schneller als die Socken und vergessen sogar, uns die Zähne zu putzen.

DIe schönsten Strecken Europas als Buch

Nachtzugreisen von Veronika Wengert und Jörg Dauscher lädt ein, die verträumtesten Ecken Europas im Nachtzug zu erkunden. Vom Milchcafé-Schlürfen in Paris über das Bestaunen der Grachten in Amsterdam bis hin zu einer Reise durch Draculas Heimat Transsilvanien oder der Erkundung der arktischen Wildnis am Polarkreis. Die nächtlichen Gleise führen über montenegrinische Bergriesen an die Adria oder durch Birkenwälder an Europas östlichen Saum – bis in den Ural. Europa, ein Flickenteppich in vielerlei Hinsicht, präsentiert sich besonders facettenreich im Netz der Nachtzugverbindungen.

Das Buch wirft auch einen Blick hinter die Kulissen der Nachtzuglogistik. Wie gelangen frische Semmeln an Bord? Und wie gestaltet sich das Übernachten in einem Nachtzug ruckelfrei? Ergänzend dazu liefert es reiserelevante Informationen, Tipps für Unternehmungen vor und nach der Abfahrt und ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen. Die persönlichen Erfahrungen von Reisenden und die Eindrücke von Nachtzug-Communities verleihen dem Buch eine lebendige Note. Hier wurde wirklich recherchiert.


Nachtzugreisen

Die schönsten Strecken Europas
von Veronika Wengert und Jörg Dauscher

CONBOOK Verlag
224 Seiten, Deutsch, Hardcover

€ 28,60 – jetzt bestellen

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