Vienna Calling
Foto: 2022 Fruitmarket / AMOUR FOU Vienna / Max Berner

Vienna Calling

Das Schmauswaberl gilt als eine Institution für die ein oder anderen Künstler*innen in Wien. Philipp Jedicke hat sich die Mühe gemacht in einem jahrelangen Prozess die Szene rund um das besagte Beisl abzubilden.

Auslöser für diese Doku war der Hype 2015 rund um den Aufschwung der östereichischen Musikszene im kompletten deutschsprachigen Raum bzw. vor allem in Deutschland. So kommt es auch, dass ein deutscher Staatsbürger eine Doku über einen Teil der Wiener Szene macht. Philipp Jedicke hat in Konstanz, Toronto und Köln studiert. Mit seinem Debütdokumentarfilm „Shut Up and Play the Piano“ 2018 hat er sich bereits auf der Berlinale einen Namen gemacht. Inspiriert von einem Nachtspaziergang mit einer Freundin in Wien hat ihn die Idee nicht mehr losgelassen darüber einen Film zu machen.

Am Tor zur Hölle – zum Underground

Abseits des Mainstreams macht er sich mit seinem Team auf die Suche nach den echten Wiener Musikikonen. Wenn man an Beisl und Musik denkt, verschlägt es einen schnell zu Musiker wie Voodoo Jürgens und Nino aus Wien. So ist es kein Wunder, dass die beiden sehr prominent im Film vertreten sind. Arrangiert hat sich der Dokumentarfilm rund um die Tätigkeiten von Samu Casata. Dieser plant im Untergrund von Wien quasi „Am Tor zu Hölle“ seine Geburtstagsparty und kommt immer wieder in Kontakt mit diversen Künstler*innen. Mit dabei sind auch Musiker*innen wie EsRap, Lydia Haider, Gutlauninger und Kerosin95. Auch die Sargnargl hatte einen kurzen Auftritt, was etwas verwunderlich ist bei einer Dokumentation über die Musikszene. Aber vielleicht war sie einfach zufällig in einem der besagten Beisln.

Ziegen, Brautkleider, Peepshows ein ganz normaler Alltag

Den Künstler*innen wurde laut dem Filmgespräch freie Hand gelassen, wie und womit sie dargestellt werden wollen. Unerwarteterweise traf man Kerosin95 beim Brautkleidfitting. Die beiden Geschwister von EsRap geben einen sehr intimen Einblick inklusive familiären Musikexkurs, früherem Schulhorror und einer vermeidlichen Leidenschaft von Ziegen an der Leine.

Die Dreharbeiten für diese Doku begannen bereits 2018 und bilden auch den Wandel der Zeit in den Lokalitäten ab, beginnend bei der Zeit vor dem Rauchverbot bis hin zur Pandemie. Ein großes Lob geht hier an die Kamera (Max Berner) und an den Schnitt (Carina Mergens, Max Berner), die mit so viel Talent eine unbekannte Seite von Wien einfingen.

Philipp Jedicke porträtiert hier ein Wien, was ein bisschen an ein Grind-Disneyland erinnert. Die Musiker*innern feiern ihr Leben und ihre Kunst, alle sind super kreativ und immer top motiviert die Bühnen abzureisen. Wie eine fluffige rosa Wolke wird die Szene belichtet und der Grind wird als mysteriöser Underground gefeiert. Selbst in der Zeit wo Corona vielen ein Dorn im Auge war wurden spektakuläre Szenen dargestellt. Die intime Live-Performance von Voodo Jürgens in einer Peepshow ist nur ein Beispiel von vielen, welche den „Rock ’n’ Roll Swindle“ der hier passiert in Szene setzten.

FAZIT

Etwas zynisch könnte man jetzt meinen eh nett. Zwar sind die Aufnahmen mit der Drohne schon ganz schön und man kennt das so nicht wirklich, aber die ganze Geschichte ist auch schnell erzählt und sehr überschaubar. Die unvollständige Darstellung lebt von den Bildern, der Begeisterung über die unterschiedlichen Talente und deren eigenen Ideen die sie beisteuern. Ein bisschen erinnert es an den Kurzfilm von Angela Chrislieb „Under the Underground“ nur halt in 85 Minuten mit ein bisschen mehr Mainstream.

Auch wenn der Regisseur keinen Anspruch auf Vollständigkeit hatte, fehlen mir hier durchaus die ein oder andere Musiker*innen. Man könnte sich die Frage stellen ob ein Schwerpunkt auf die männliche Musiklandschaft 2023 noch angebracht ist oder man hier auch diverser hätte sein können.

Eine Frage bleibt zum Schluss, ist die Wiener Szene wirklich so offen für Partizipation wie sie in dem Dokumentarfilm dargestellt wird?


Plakat Vienna Calling

Vienna Calling

Dokumentarfilm
AT/DE 2023, digital, 85 min, OmeU
Regie, Buch: Philipp Jedicke
Mit: Voodoo Jürgens, EsRaP, Der Nino aus Wien, Lydia Haider, Gutlauninger, Kerosin95, Samu Casata


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